Durch das wilde „Westtranssylvanien“
Samstag, 01.08.2015
Das Tolle an einer Bulli-Reise ist die Ungewissheit. Wir haben massig Zeit, der winzige Zipfel Tschechiens gefällt uns bisher sehr gut und da wir auf dem Hinweg einen Wegweiser gesehen haben, der Prag in nur 100 Kilometern ausschildert, entschliessen wir uns, der Hauptstadt des Landes mit den tollen Bieren einen Besuch abzustatten.
Da Autobahnen in Tschechien Geld kosten sollen, bahnen wir uns den Weg über kleine Landstraßen und durch Gegenden, in denen die Zeit vor hundert Jahren stehengeblieben zu sein scheint.
Auf der Landkarte bei Google Maps ist unterwegs ein landschaftlich sehr sehenswerter Ort eingezeichnet, den wir ansteuern wollen. Leider führt keiner der Wegweiser in die richtige Richtung und zu allem Überfluss ist auch noch eine entscheidende Straße gesperrt. So fahren wir weiter, bis wir nach ein paar Kilometern ein weiteres Hinweisschild finden, welchem wir spontan folgen.
Natürlich führt auch diese Straße mehr oder weniger ins Nichts, allerdings leitet sie und in das kleine Dorf Horni Vidim, welches aus einem Schloss, zwei Kirchen und ein paar wenigen Häusern besteht.
Wir stellen das Didimobil ab und wollen eigentlich nur ein paar Bilder schießen, als wir zum Torbogen vor dem Schloss kommen. Hier spricht uns ein alter Mann an und deutete uns, doch einzutreten. Es macht den Anschein, als würde dieser Mann schon seit Urzeiten als Pförtner dort arbeiten, und er spricht kein Wort deutsch, sondern ausschließlich tschechisch.
Das „Schloss“ entpuppt sich als eine Art Altersheim, vielleicht auch ein Heim für Demenzkranke. Früher muss es jedoch mal ein Schloss gewesen sein, mit einem riesigen, verwunschenen und zugewucherten Garten, in dem alte anktike Statuen einen Hauch von Griechenland versprühen.
Etwa eine Stunde halten wir uns dort auf und zaubern ein paar alten Menschen ein Lächeln aufs Gesicht. Sie sprechen nicht viel, aber dass da zwei junge Touristen aus fernen Ländern kommen und sich für ihr Grundstück interessieren, kommt dort sicherlich alle hundert Jahre einmal vor.
Von Horni Vidim ist es nicht mehr weit bis Prag. Durch das Stadtgewirr bahnen wir uns den Weg zu einem Campingplatz, welcher am Ende einer knapp zwei Kilometer langen Halbinsel mitten in der Elbe Moldau liegt. Tagsüber verbindet eine kleine „Fähre“ den Campingplatz mit dem anderen Moldauufer, abends hingegen muss man eine gute halbe Stunde von der U-Bahn zu Fuß erst zum anderen Ende der Halbinsel laufen, um über die Brücke und danach ganz ans obere Ende der Insel zu gelangen.
Es ist gerade erst Nachmittag, also machen wir uns auf zu einer ersten Erkundung der tschechischen Metropole. Entlang des Moldauufers schlendern wir in Richtung Karlsbrücke.
Auf dem Wasser tummeln sich alle möglichen Freizeitskipper, hauptsächlich Tretboote in allen möglichen Formen und Farben. Auf einer weiteren Moldauinsel findet ein Open-Air-Konzert statt und irgendwie scheint die gesamte Stadt auf den Beinen zu sein.
Die Karlsbrücke entpuppt sich dann leider als komplett von Touristen überlaufen, wie so eine Mischung aus Oktoberfest und Disneyland. Bestimmt ist es dort in der Nebensaison sehr schön, aber wir sehen zu, dass wir dem Getümmel entfliehen und suchen die Altstadt, was in Prag gar nicht so einfach ist.
Doch auch in den Straßen der Altstadt wimmelt es nur so von Menschen, Kutschen und auf alt getrimmten Autos. Selbst Gevatter Tod hat es da schwer, für Ordnung zu sorgen. 😉
Nach einem ersten Eindruck beschliessen wir, etwas abseits zu Abend zu essen. Erstens bekommt man in der Innenstadt nur schwer einen Platz und zweitens sind die Preise etwas außerhalb gleich wesentlich günstiger.
Noch nicht müde machen wir uns erneut auf den Weg in die Stadt, die inzwischen weitaus leerer ist und lassen den Abend bei einem leckeren Bier auf dem Wenzelsplatz ausklingen.
Mit der U-Bahn geht es zurück zum Campingplatz, und da es noch angenehm warm draussen ist und kein Taxi weit und breit in Sicht, sorgt der halbstündige Abendspaziergang zum Campingplatz für die nötige Bettschwere.
Altstadt oder alte Stadt?
Sonntag, 02.08.2015
Gut gelaunt geht es heute wieder in das Großstadtgetümmel. Als Erstes steht ein Besuch des Rathauses mit seiner undefinierbaren Turmuhr an. Wie spät es dann tatsächlich ist, entzieht sich unserer Kenntnis, aber im Urlaub ist „Zeit“ sowieso anders definiert als zu Hause.
Gegen eine kleine Gebühr kann man den Rathausturm besteigen. Von dort oben hat man einen wunderbaren Blick über die (Alt?)Stadt, von der wir nach wie vor nicht wissen, wo genau diese sich befinden soll. Alt sind in Prag irgendwie alle Häuser, und in einem hervorragenden Zustand vorbildlich restauriert.
Vom Rathausturm aus fällt der Blick natürlich auf die andere Moldauseite zum Hradčany (Hradschin), der Prager Burg. Da waren wir gestern noch nicht, also hin da! 🙂
Unterwegs kommen wir am Senatsgebäude vorbei und wollen mit der Seilbahn auf den Petrinberg fahren. Da die Schlange dort allerdings ellenlang ist, betätigten wir uns sportlich und erklimmen den 327m hohen Hausberg zu Fuß.
Die eigentliche Attraktion auf dem Petrinberg ist ein stählerner Aussichtsturm, der dem Pariser Eiffelturm nachempfunden ist. Josha klettert rauf, ich bleibe aufgrund meiner Höhenangst lieber unten und esse ein Eis.
Im Park nebenan herrscht reges Treiben, viele Familien mit Kindern nutzen das schöne Wetter zu einem Picknick. Ein Seifenblasenkünstler erfreut die Kinder mit riesigen Seifenblasen. ♥
Direkt unterhalb des Berges befindet sich die geschichtsträchtige deutsche Botschaft, in der 1989 mehr als 5.000 Bürger der DDR Zuflucht fanden und in der der ehemalige Außenminister Hand-Dietrich Genscher vom Balkon deren genehmigte Ausreise in die BRD verkündete.
Von der Botschaft ist es nicht mehr weit zum Hradschin. Durch kleine Altstadtgassen (nein, die „echte“ Altstadt soll eigentlich auf der anderen Seite der Moldau sein) geht es hinauf zur ehemaligen Burganlage.
Die Burganlage mit der großen Kirche in der Mitte ist durchaus beeindruckend. Leider fängt es leicht an zu regnen, und fotogen ist die Kirche aufgrund der Enge und der imposanten Größe des Gebäudes ebenfalls nicht. 🙁
Gen Abend marschieren wir wieder in Richtung Wenzelsplatz, finden einen verhältnismäßig günstigen Italiener, wo wir zu Abend essen, und lassen den Tag am Ufer der Moldau ausklingen.
Prag wird uns auf jeden Fall irgendwann wiedersehen, für mich zählt es zu einer der schönsten Städte weltweit. Dann aber lieber im Frühling oder im Herbst, wenn die Straßen nicht ganz so überlaufen sind wie im Hochsommer.
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