Ein Ort, dem Didi schon lange Zeit einen Besuch abstatten wollte, ist der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel. Hierbei handelt es sich um den größten Bergpark Europas zwischen Schloss Wilhelmshöhe und der ganz Kassel überblickenden Herkules-Statue. 233 Höhenmeter liegen zwischen diesen beiden 1.600 Meter Luftlinie voneinander entfernten Wahrzeichen der drittgrößten Stadt Hessens. Seit 2013 ist der Bergpark Wilhelmshöhe als UNESCO Weltkulturerbe als Landschaftspark von Weltgeltung anerkannt und ist neben der alle fünf Jahre stattfindenden Kunstausstellung Documenta die bekannteste Sehenswürdigkeit Kassels.
Ich schlafe heute das erste Mal auf der Tour richtig aus, so ein Plätzchen unter einem schattigen Baum wirkt bei einem „Jahrhundertsommer“ Wunder. Um 11 Uhr mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof, der S-Bahn-ähnliche Zug hat auch heute gute zehn Minuten Verspätung und ist brechend voll mit Rentnerhorden und Schulklassen. Zum Glück wollen die fast alle zur Documenta und nicht zum Bergpark.
Dank 9-Euro-Ticket ist nicht nur der Zug vom Campingplatz nach Kassel bereits bezahlt, sondern auch alle Straßenbahnen und Busse in Kassel. So fahre ich vom Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe mit der Straßenbahn „bergauf“ zum Drusetal, von wo aus alle halbe Stunde ein Bus bis ganz hinauf zum Herkules fährt. Im Nachhinein soll sich die Idee, den Park von oben nach unten abzuwandern, als goldrichtig erweisen.
Tip:
Den Bergpark Wilhelmshöhe von oben (Herkules) nach unten (Schloss Wilhelmshöhe) erkunden. Dies spart Energie und über 500 Treppenstufen, die auf dem Weg entlang der Kaskaden überwunden werden müssen.
Anfahrt:
Vom Königsplatz oder Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe mit der Straßenbahn 4 zur Endhaltestelle Drusetal. Von dort verkehrt der Bus 22 alle halbe Stunde direkt bis zum Besucherzentrum am Herkules.
Der Bergpark Wilhelmshöhe
Am oberen Eingang angekommen schaue ich mich kurz im Besucherzentrum um. Highlight des Bergparks sind die regelmäßigen Wasserspiele, bei denen angefangen am Herkules-Denkmal an der Bergspitze tausende Liter Wasser über künstliche Kaskaden, Stauteiche, Aquädukte ins Tal geschickt werden. Hierbei können Besucher:innen dem Wasser auf dem Weg talwärts folgen, bis sie und das Wasser in etwa zeitgleich an der großen Fontaine vor Schloss Wilhelmshöhe eintreffen. Eines UNESCO-Weltkulturerbes unwürdig finden diese Wasserspiele lediglich mittwochs und sonntags statt, heute ist Donnerstag. Da lobe ich mir Hamburg. Unsere Wasserspiele im Park Planten un Blomen finden jeden Tag und bei jedem Wetter statt.
Das Besucherzentrum
Eine sichtlich gelangweilte und von meiner Anwesenheit genervte Dame sitzt an einem Informationsschalter. Der Eintritt in den Park ansich ist kostenfrei, lediglich das Oktogon, der Herkules, das Schloss Wilhelmshöhe und die Löwenburg kosten Eintritt. Auf dem Cempingplatz bekam ich den Tip, unbedingt die Löwenburg zu besuchen. Dort ist gerade einer der Aussichtstürme nach der Renovierung wiedereröffnet worden. Die unfreundliche Dame hat keine Lust, Tickets zu verkaufen, weist aber mürrisch darauf hin, dass heute keine Besichtigung der Löwenburg mehr möglich sei – alle Zeitfenster seit Tagen ausgebucht. Dann hätte ich, Kunstbanause, gerne ein Ticket für den Herkules. Einzeltickets gibt es nicht, nur ein Ticket für alles zusammen. Und ausserdem gebe es einen Ticketautomaten am Fuße des Herkules, da solle ich das Ticket gefälligst holen. Bislang das mieseste UNESCO-Weltkulturerbe, das ich auf meinen Reisen besucht habe, dabei bin ich doch erst im Besucherzentrum.
Tip:
Der Besuch des Bergparks Wilhelmshöhe ist grundsätzlich kostenlos. Schloss Wilhelmshöhe, die Löwenburg und die Aussichtsplattform (Oktogon) des Herkules kosten Eintritt. Es gibt lediglich ein Kombiticket für 6,-€. Einzeltickets für die jeweiligen Attraktionen gibt es nicht.
Der Blick von den Kaskaden unterhalb des Oktogons/Herkules ist kostenfrei und unverbaut. Der Blick von der Plattform des Oktogons ist nicht viel anders und lohnt die 6,-€ Eintritt nicht.
Herkules und Oktogon
Ein Teil der Herkulesstatue ist derzeit eingerüstet. Seit 2005 werden bereits Sockel und Statue saniert. Die Arbeiten an dem Bauwerk aus Tuffstein gestalten sich derart schwierig, dass die Fertigstellung derzeit für das Jahr 2026 prognostiziert wird. 6,-€ möchte der Kassenautomat am Fuße des Sockels für die Besichtigung haben, inklusive Oktogon und Löwenburg. Kein Wort davon, dass die Löwenburg ohne vorherige Anmeldung nicht besichtigt werden kann. Und was sich als Oktogon so spannend anhört, ist lediglich der achteckige Sockel, auf dem die Herkules-Statue errichtet ist, und dieser ist aufgrund der Bauarbeiten schon seit Jahren leider nicht zu besichtigen.
Der Ausblick von der Plattform des Oktogons ist dafür wirklich toll. Rechter Hand ist die Löwenburg erkennbar, direkt voraus blickt man auf die Kaskaden der Wasserkunst und auf das Schloss Wilhelmshöhe. Dahinter erstreckt sich die Stadt Kassel mit der Wilhelmshöher Allee als Weiterführung der Sichtachse zwischen Schloss, Bahnhof Wilhelmshöhe und der Kasseler Innenstadt.
Der Weg des Wassers
Ich steige von der Aussichtsplattform herab und gehe auf die Vorderseite des Herkules. Von hier hat man einen fast genauso guten Blick über den gesamten Bergpark Wilhelmshöhe und Kassel bis hinüber zum Kaufunger Wald (im Volksmund auch Kassler Berge genannt). Für die 6,-€ hätte ich mir lieber ein Eis kaufen sollen. Das erste UNESCO Weltkulturerbe, welches ich als bewusste Touristenabzocke einstufen würde. Mittwochs und sonntags starten hier auch die Wasserspiele. Heute ist das Becken komplett leer, die Kaskaden wirken ohne Wasser fast wie ein Lost Place. Traurig, dass ausserhalb der Wasserspiele nicht einmal der Wasserlauf ohne großes Brimborium aufrecht erhalten wird.
Tip:
Die berühmten Wasserspiele im Bergpark Wilhelmshöhe finden nur mittwochs, sonntags und an hessischen Feiertagen um 14:30 Uhr statt. An allen anderen Tagen ist das Wasser komplett abgestellt!
Der Wetterbericht hat Regen angesagt. Zwar erst für den frühen Abend, aber es zieht sich doch schon langsam zu. Ich beschließe, mich in dem Besucherrestaurant gleich neben dem Herkules zu stärken, bevor ich mich auf den Abstieg durch den Park begebe. Eine sehr gute Idee, denn kaum im Restaurant angelangt, fängt es tatsächlich an zu regnen.
Kaskaden
Frisch gestärkt begebe ich mich auf den Weg, die rund 530 Stufen zur Neptungrotte hinabzusteigen. Dort wird das nicht vorhandene Wasser auf seinem Weg talwärts das erste Mal aufgestaut und damit für einige Zeit zurückgehalten. Der Startpunkt der Wasserspiele liegt am Fuße des Oktogons. Hier ist eine künstliche Fels-/Grottenlandschaft angelegt worden, viele Götter der Antike sitzen vor Wind und Wasser geschützt und harren der Dinge. Insgesamt macht das Gesamtensemble einen leicht renovierungsbedürftigen Eindruck.
Neptungrotte im Bergpark Wilhelmshöhe
Geschützt unter einer Arkade aus Tuffsteinbögen wartet Neptun mit seinem Dreizack in seiner Neptungrotte am Ende der Stufen auf das nicht kommende Wasser. Mittwochs und sonntags ergießt sich ein stattlicher Wasserfall über die Galerie hinein in das Neptunbassin. Von hier hat man einen hervorragenden Blick hinauf zum Herkules und den Kaskaden. Wenn das Neptunbassin ausreichend gefüllt ist, fließt das Wasser weiter zum Steinhöfer Wasserfall. Da es gerade wieder nach Regen aussieht, setze ich mich unter einen großen Schirm eines Cafés unweit der Neptungrotte und genehmige mir einen leckeren Kaffee.
Steinhöfer Wasserfall
Der Steinhöfer Wasserfall wurde im Stile eines aufgelassenen Steinbruchs angelegt. An Tagen mit Wasserspielen stürzt das Wasser hier auf einer Breite von bis zu 50 Metern rund 20 Meter in die Tiefe. Heute plätschert hier nur ein kleines Rinnsal den 1793 künstlich angelegten Steilhang hinunter, bevor das Wasser als Waldbach weiter talwärts fließt.
Löwenburg im Bergpark Wilhelmshöhe
Nicht weit vom Steinhöfer Wasserfall entfernt befindet sich die Löwenburg. Die 1793 im Stil einer künstlichen Ruine gebaute Löwenburg diente Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel als Rückzugsort. Während des Zweiten Weltkrieges erlitt das Bauwerk schwere Beschädigungen durch britische Luftangriffe, so wurde beispielsweise der Bergfried fast vollständig zerstört. Erst vor zwei Wochen konnte die Rekonstruktion abgeschlossen und der Bergfried als Aussichtsturm für Besucher:innen wieder eröffnet werden.
Trotz heute morgen am Automaten am Herkules erworbener Eintrittskarte gibt es keine Möglichkeit, das Innere der Burg und den frisch wiedereröffneten Burgfried zu besichtigen. Auf dem Campingplatz schwärmte man mir noch vor, wie toll der Ausblick von oben sei und dass man jahrzehntelang darauf gewartet habe, endlich den Bergfried wieder besteigen zu können. Interessanter Weise sehe ich zu keinster Zeit einen Menschen auf dem Turm stehen. Mein Gefühl der Touristenabzocke bestätigt sich hier im Bergpark Wilhelmshöhe mehr und mehr.
Tip:
Die Löwenburg hat lediglich ein gewisses Kontingent an täglichen Besucherzahlen. Der Erwerb einer Eintrittskarte garantiert keinen Zutritt zu den Innenräumen und dem Burgfried der Löwenburg. Der Innenhof der Löwenburg kann kostenfrei ohne Eintrittskarte besichtigt werden. Es gibt ausschließlich Kombitickets für Schloss Wilhelmshöhe, Löwenburg und Oktogon/Herkules für 6,-€. Es empfiehlt sich bei Interesse, zuerst sicherzustellen, dass am gewünschten Tag eine Besichtigung der Löwenburg möglich ist. Der Besuch des Oktogons/Herkules lohnt sich für 6,-€ nicht.
Teufelsbrücke
Die 1826 errichtete gußeiserne Teufelsbrücke überquert im Zuge der Wasserspiele im Bergpark Wilhelmshöhe einen zehn Meter hohen Wasserfall. Der Nachfolgebau der ursprünglich hölzernen Teufelsbrücke aus dem Jahre 1793 soll der Teufelsbrücke am schweizerischen Gotthardpass nachempfunden sein. Wenn an Tagen der Wasserspiele rund 400.000 Liter Wasser den Wasserfall hinunterstürzen, soll das die Schneeschmelze in den Schweizer Alpen darstellen.
Plutogrotte
Gleich nebenan befindet sich die Plutogrotte. Ursprünglich waren die offenen Arkadenbögen verglast und boten einen Blick auf düstere Gestalten der Unterwelt, denn der namensgebende Pluto war in der antiken Mythologie der Gott der Totenwelt und der Erdtiefe. Heute sind die Figuren und die Verglasung verschwunden, lediglich an den Seitenwänden finden sich heute bösartig anmutende Fabelwesen.
Aquädukt im Bergpark Wilhelmshöhe
Folgt man dem Wasserlauf weiter talwärts stößt man auf eines der schönsten und faszinierendsten Bauwerke der Wasserspiele: Den Aquädukt. Auf rund 120 Metern wird das Wasser hier auf der Nachbildung eines antiken römischen Wassertransportweges über die Köpfe der Besucher hinweg transportiert, bis es am Ende vom verwitterten und zerstörten Aquädukt als Wasserfall etwa 30 Meter in die Tiefe fällt.
Hier treffe ich auch auf einen etwas planlosen Touristen aus Fernost. Die Planlosigkeit kann ich gut verstehen, denn ohne die überaus empfehlenswerte Karten-App mapy.cz hätte ich mich heute bereits mehrmals verlaufen. Trotz UNESCO-Weltkulturerbe sucht man im gesamten Bergpark Wilhelmshöhe Hinweisschilder und Wegweiser meist vergeblich. Dabei ist der Wasserlauf gerade zwischen den einzelnen Stationen nicht immer mit bloßem Auge nachvollziehbar. Wie weit es noch bis zum Herkules sei, möchte er wissen. Und ob es noch viele Stufen sind, bis man oben ist. Ich bin froh, die Strecke von oben nach unten zu wandern, vier Stunden bin ich bereits unterwegs. Ob es in einer Stunde schaffbar sei, fragt er. Das wäre mir bergauf definitiv zu sportlich, aber schaffbar ist es bestimmt.
Die Pyramide im Bergpark Wilhelmshöhe
Huch, was ist denn das? Mitten im Wald stehe ich plötzlich vor einer Pyramide. Sie ist zwar nicht wirklich groß, dafür sieht sie aus als käme sie von einem anderen Stern. Vielleicht deutet das runde Fenster darauf hin, dass es sich hierbei um eine fliegende Untertasse handelt?
In Wirklichkeit handelt es sich bei der etwas versteckt im Wald befindlichen Pyramide um eine sogenannte Soda-Pyramide. Sie hat keine besondere Funktion und steht einfach nur so da. Also wieder keine Ausserirdischen.
Jussow-Tempel
Ebenso verhält es sich mit dem am Ende der Wasserspiele befindlichen Jussow-Tempel. Dieses kleine runde, mit antiken Säulen verzierte Bauwerk ist einem Gartenhäuschen im britischen Stowe nachempfunden und wird regelmäßig als griechischer Tempel bezeichnet. Genau wie bei der Pyramide handelt es sich bei dem Jussow-Tempel um ein reines Deko-Element.
Schloss Wilhelmshöhe
Mit ein paar Umwegen zur Löwenburg und zur Pyramide erreiche ich nach knapp fünf Stunden das Schloss Wilhelmshöhe. Trotz des einen kurzen Regenschauers herrschen noch immer gute 30°C, dafür ist die Luftfeuchtigkeit gestiegen. Zwar habe ich durch das Kombi-Ticket bereits eine gültige Eintrittskarte für das Schloss, als Kunstbanause und aus Trotz, weil ich die Löwenburg nicht besichtigen durfte, verzichte ich allerdings auf einen Besuch und bewundere den dreiflügligen klassizistischen Prunkbau von aussen.
Ich fahre mit der Straßenbahn in die Kasseler Innenstadt und besorge mir in einem großen Elektronik-Kaufhaus eine Powerbank. Der Akku des neuen Mobiltelefons hält zwar erstaunlich gut durch, da ich es aber als Kamera benötige habe ich schon ein wenig Sorge, dass auf einem kommenden Tagesausflug der Akku möglicher Weise doch schlepp machen könnte.
Perscheid: Denkmal des unbekannten Idioten
Als ich das Einkaufszentrum am Königsplatz verlasse, ergießt sich gerade ein Platzregen über der Stadt. Welch ein Segen für die Natur, aber wer mich kennt weiß, dass in meinem Stammbaum eine Mischung aus Hund und Gremlin vorhanden ist und ich daher zu der eher wasserscheuen Spezies gehöre. Ich warte zehn Minuten, bis sich der gröbste Regen gelegt hat und gehe zum Hauptbahnhof. Hier steht doch tatsächlich das „Denkmal des unbekannten Idioten“ von einem meiner Lieblings-Cartoonisten, Martin Perscheid, etwas versteckt auf dem Bahnhofsdach. Warum steht sowas nicht auf dem Marktplatz?
Der S-Bahn-ähnliche Zug fährt pünktlich los und kommt dennoch zu spät in Beiseförth an. Nicht schlimm, denn gerade, als ich aussteige, hört es auf zu regnen. Auf dem Campingplatz gibt es noch lecker etwas zu Essen und ein paar Bier für die Bettschwere. Schön war der Tag, dennoch bin ich von der Gesamtanlage des Bergparks Wilhelmshöhe enttäuscht. Ich hatte mir definitiv mehr versprochen, und für ein UNESCO-Weltkulturerbe macht der gesamte Park einen eher vernachlässigten Eindruck.