Urlaubsregion ohne Touristenauflauf
Mittwoch, 01.08.2018
Es ist schon selten, dass ich mich mal nicht vom Strand losreissen kann, aber heute morgen verbringe ich noch eine gute Stunde hier unten am Gate to Horizon-Bio Camping bei Lukova, trinke einen dieser unglaublich leckeren kleinen Kaffees und mache einen kleinen Spaziergang am menschenleeren Kiesstrand.
Ich wandere zur Nachbarbucht, auch hier ist der Kiesstrand menschenleer und das Wasser fast noch türkiser als vor dem Campingplatz.
Doch all die Idylle hat derzeit einen sehr faden, politischen Beigeschmack, an dem ausgerechnet Albanien keine Schuld trifft:
Gerne würde ich ein erfrischendes Bad im 26 Grad warmen Wasser nehmen, aber so schön und so verlockend es auch scheint, beim Gedanken daran, dass die europäischen Regierungen derzeit tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer ertrinken und sterben lassen und ihnen jegliche Rettung verweigern, mag ich mich momentan nicht im selben Gewässer vergnügen. Wobei Albanien wie gesagt an der gesamten Misere absolut keine Schuld trifft, ganz im Gegenteil: Zwei Monate nach meiner Rückkehr erklärt sich das ärmste aller Mittelmeeranrainerländer als Einziges bereit, Gerettete von einem Flüchtlingsboot bei sich im Land aufzunehmen.
Faleminderit, Shqipëria. ♥
Inzwischen ist der Bulli komplett zugeparkt, ich überlege, noch etwas länger zu bleiben, bin allerdings morgen abend schon wieder in Kashar bei Tirana verabredet und das Didimobil läuft seit rund einer Woche im Leerlauf irgendwie unrund, das würde ich gerne einmal überprüfen lassen. Meine slowenischen Nachbarn sind so nett und rangieren ihr Auto ein kleines Bißchen hin und her, und so passe auch ich in Millimeterarbeit durch das Gewirr an Fahrzeugen hindurch.
Nach etwa 20 Minuten ist die Küstenstraße erreicht und ich setze meine Fahrt gen Norden fort. Mein nächster Zwischenstop soll Borsh sein. Einen guten Kilometer vom eigentlichen Ort entfernt erstreckte sich vor zwei Jahren ein menschenleerer Strand die gut vier Kilometer lange Bucht entlang, ohne Hotels oder sonstiger, von der Küstenstraße oberhalb erkennbarer touristischer Infrastruktur. Ein wenig besorgt bin ich ob dessen, was mich heute erwarten wird, aber ich werde nicht enttäuscht: Viel verändert hat sich beim Blick von oben nicht.
Ich mache einen Abstecher zum Strand. Die Zufahrtsstraße macht einen sehr neuen Eindruck, sie führt durch Obstplantagen und Weideland. Am Strand angekommen stehen einige wenige Gasthäuser und ein, zwei kleine Hotels an der staubigen Piste, die direkt am Strand entlang führt. Kleine Strandbars und -restaurants säumen den Rand, Sonnenschirme und -liegen warten auf den Touristenansturm, der aber nach wie vor ausbleibt.
Der Strand ist auch hier – wie fast überall an der albanischen Riviera zwischen Llogara-Pass und Sarandë – ein Kiesstrand, das Wasser dafür kristallklar und tief türkis. Hier und da haben sich hauptsächlich einheimische Urlauber am Strand niedergelassen, in anderen Mittelmeerländern wäre der gesamte Strandabschnitt schon längst mit Hotelburgen zugepflastert und kein Zentimeter Platz mehr am Strand vor lauter Touristen.
Wem Kiesstrand nichts ausmacht, dem kann die albanische Riviera als Urlaubsziel nur wärmstens ans Herz gelegt werden, auch wenn die Anreisemöglichkeiten mau und Pauschaltourismus hier noch ein Fremdwort sind. Die grundlegende Infrastruktur ist auf jeden Fall vorhanden, und das Doppelzimmer in einem der wenigen Hotels direkt am Strand kostet um die 40,-€ pro Zimmer und Nacht…
Ich fahre weiter, es sind noch rund 200 Kilometer bis nach Tirana, und die Küstenstraße ist zwar unheimlich schön und auch gut zu fahren, allerdings durch die sehr kurvige Straßenführung auch sehr zeitraubend. Zurück im Ort in Borsh tanke ich das Didimobil noch einmal für gute 1,30€ pro Liter Diesel voll, bevor ich weiter Richtung Norden fahre.
Ein quirliger kleiner Badeort mit gewohnter Infrastruktur ist Himarë. Der aufgrund seiner Lage vergleichsweise abgeschiedene 3.000-Einwohner-Ort ist besonders bei einheimischen Urlaubern beliebt, aber auch immer mehr europäische Touristen entdecken den kleinen Ort mit einem der ganz wenigen Sandstrände südlich des Llogara-Passes. Dennoch macht Himarë auch jetzt in der Hauptsaison keinen überlaufenen Eindruck.
In Himarë selber macht sich der Tourismusboom dennoch bemerkbar, die einzige Hauptstraße durch den Ort ist komplett verstopft und es herrscht ein Verkehrschaos wie in einer Metropole.
Ein weiterer Badeort ist Dhërmi, rund zehn Kilometer nördlich von Himarë. Dhërmi selber liegt etwas abseits der Küste malerisch an einem Berghang, unten am Strand hat sich in den letzten Jahren ein kleines Touristendorf entwickelt, wobei nach wie vor die Hotelburgen ausgeblieben sind. Genau wie in Himarë sprechen die Menschen hier überwiegend griechisch, bei einer Mehrheit der Bewohner handelt es sich sogar um ethnische Griechen. Albanisch sprechen die Allermeisten trotzdem in dem Ort, der einst über mehr als 30 Kirchen und Klöster – die meisten griechisch-orthodox – verfügt haben soll.
Knapp fünf Kilometer nördlich von Dhërmi beginnt eine der schönsten Passstraßen der Welt, der Llogara-Pass. In sechs Spitzkehren windet er sich immer direkt am Berghang rund 1.000 Meter hinauf zur Passhöhe, während man die Fahrt über einen unbeschreiblichen Weitblick über die albanische Riviera bis hin nach Korfu hat. 2016 habe ich den Pass bereits in die entgegengesetze Richtung befahren, dieses Mal geht es den Berg hinauf.
Der Llogara-Pass ist vor allen Dingen auf der Nordrampe Richtung Vlorë gerade in der Hochsaison ein ziemliches Nadelöhr. Die Straße ist hier sehr eng und große Fahrzeuge wie Reisebusse oder LKW benötigen die gesamte Straßenbreite in den Haarnadelkurven. Albaner fahren jedoch immer getreu dem Motto „Ich zuerst“, was mitunter zu komplettem Verkehrsstillstand in beiden Richtungen führt, wenn sich Reisebus und Status-SUV in einer der Kurven begegnen und derart festfahren, dass auch gegenseitiges Bepöbeln nicht mehr weiterhilft. So kann es schon mal etwas länger dauern, in meinem Fall eine knappe halbe Stunde für gerade mal einen Kilometer…
Auf der Nordseite des Llogara-Passes quetschen sich etliche Hotels und Ferienwohnungen zwischen die viel befahrene Staatsstraße SH8 und den sehr schmalen Kiesstrand zwischen Orikum und Vlora. Interessanter Weise war hier bereits 2016 viel los am Strand; mir wäre das zu eingeengt mit der Hauptverkehrsstraße und dem sehr schmalen und steinigen Strandstreifen.
In Vlorë, der mit rund 80.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Albaniens, wurde 2016 an der Hauptstraße kräftig gebaut, und auf mich machte der gesamte Ort einen eher abschreckenden Eindruck (siehe hier). Gerade für die Menschen aus den nördlichen Landesteilen Albaniens ist Vlorë dennoch eines der beliebtesten Urlaubsziele, braucht man doch die noch immer vergleichsweise beschwerliche Tour über den Llogara-Pass nicht in Angriff zu nehmen.
Inzwischen sind die Bauarbeiten an der Küstenstraße und dem sehr breiten Strand abgeschlossen, es wurden neue Bäume gepflanzt und man gibt sich sichtlich Mühe, die Aufenthaltsqualität zu steigern. Doch auch wenn die Stadt heute einen sehr sauberen und ordentlichen Eindruck auf mich macht, so wäre sie mir irgendwie zu steril, zu kahl, um hier eine Woche Urlaub zu machen. Ich würde immer wieder den mühsamen Weg zwei Stunden weiter nach Sarandë bevorzugen.
Vom Hafen in Vlorë aus verkehren 12x die Woche Fährschiffe ins süditalienische Brindisi, welches rund sechs Stunden entfernt liegt. Ich bleibe jedoch im Land und fahre entlang der breiten, palmengesäumten Hauptstraße weiter nach Norden, wo sich eine der wenigen Autobahnen Albaniens anschließt.
In einem wahren Geschwindigkeitsrausch „rast“ das Didimobil über die Autobahn A2 Richtung Fier. Eine halbe Stunde später erreiche ich die 55.000-Einwohner-Stadt Fier. Das bereits 2016 in Bau befindliche Autobahnstück um Fier herum ist noch immer nicht fertiggestellt, und so quäle ich mich erneut durch die völlig verstopften Straßen der Industriestadt.
Zum Glück kenne ich mich hier inzwischen ein Bißchen aus, und so kürze ich den Stau einmal quer durch die Innenstadt ab, vorbei an einem Haus, auf dem die Disney-Figur Aladdin sitzt und vorbei an dem Kreisverkehr mit der Weltkugel in der Mitte.
Hinter Fier geht es wieder auf die Autobahn. An einer der vielen Kreuzungen (anstatt echter Abfahrten hat man auf dieser Autobahn aus Kostengründen Linksabbieger oder Kreisverkehre gebaut…) biege ich nach links zur Lagune von Karavasta ab. Hier soll es Flamingos und Pelikane geben, ich bin gespannt.
Die Straße verläuft fast schnurgerade, an einem kleinen Lebensmittelladen besorge ich mir Nachschub der leckeren Pfirsichlimonade. Von Divjaka aus führt eine gut ausgebaute Straße direkt auf das Nationalpark-Haus zu, in dem es viele nützliche Informationen über das Gebiet rund um die Lagune gibt.
Einer der Parkranger kommt direkt auf mich zu und erklärt ein wenig die Umgebung. Es gibt einen riesigen Strand, Bootstouren über die Lagune zu den Brutplätzen der Pelikane und viele tolle Wanderwege. Ein Pelikan lebe übrigens permanent auf dem Gelände des Nationalpark-Hauses, einen Campingplatz gibt es zwei Kilometer die Straße hinauf, ich könne aber auch gerne einfach hier stehenbleiben. Und einen Pelikan-Beobachtungsturm gebe es, man müsse nur den Schildern zum Strand folgen und dann immer der „Straße“ auf dem Strand folgen, wo die anderen Autos fahren. Den Fluss nicht überqueren und links in einen Waldweg, den sehe man dann schon.
Und was ist mit Flamingos, frage ich? Ja, die leben hier auch, es handele sich um die größte und einzige Kolonie in Europa. Leider weilten die Flamingos derzeit in Afrika und kämen erst im Winter zurück hier an die Karavasta-Lagune. Komische Tiere, ich würde an deren Stelle ja andersherum ziehen…
Ich mache mich auf die Suche nach dem Aussichtsturm und lande mitten auf dem sehr breiten Sandstrand. Zu meiner Verwunderung herrscht recht viel Verkehr, die Albaner nutzen den Strand gerne für Tagesausflüge. Ich folge einer Schneise, die aussieht wie eine Straße, bis ich links von mir einen kleinen Fluss entdecke. Ich scheine zu weit gefahren zu sein und will in großem Bogen wenden, was sich als fataler Fehler herausstellen soll: Promt bleibe ich in dem nun weichen Sand stecken. Zum Glück dauert es keine zwei Minuten, und während ich mit Hilfe der Fußmatten versuche, das Didimobil wieder auf etwas festeren Untergrund zu bekommen, sind schon mehrere Einheimische zur Stelle und schieben das Didimobil mit vereinten Kräften aus dem hinterhältigen Treibsand heraus.
Ich fahre ein Stück den Sandweg neben dem Fluss hinauf, bis ich an eine Wegegabelung komme. Kein Hinweis, kein Garnichts. Ich entscheide mich sicherheitshalber zur Umkehr, nicht, dass ich hier in dem Treibsand noch einmal stecken bleibe. Dann gibt es halt keine weiteren Pelikane zu sehen.
Die Hafenstadt Durrës ist nur noch rund 50 Kilometer entfernt, und so beschließe ich, dort noch kurz vorbeizuschauen. Ich lande wieder auf der Autobahn, auf dem Standstreifen werden Melonen verkauft und ab und an kreuzen halt Fußgänger die Straße, je dichter man der Großstadt kommt. Ich verlasse die Autobahn und fahre die „Uferstraße“ entlang, doch leider steht zwischen dieser und dem Strand/Meer eine Häuserreihe dicht an dicht. Parkplätze sind Mangelware, und so fahre ich unverrichteter Dinge weiter zum Campingplatz nach Tirana.
Ich schreibe meinen beiden neuen Freunden in Kashar, dass ich heute abend spontan schon wieder auf dem Campingplatz bin. Wir verabreden uns auf ein Bierchen in der Bar an der Straße, wo wir uns auch letztes Mal schon getroffen hatten und verbringen einen tollen, geselligen Abend.
Ein fauler Tag
Donnerstag, 02.08.2018
Ich habe heute morgen mal wieder richtig ausgeschlafen. Um halb elf fahre ich zu meinen Freunden mit der Bar, ihr Urlaub in Sarandë ist inzwischen wieder vorbei und sie haben ihn sehr genossen. Ich trinke einen Kaffee und erkläre das Problem mit dem Unrundlaufen des Didimobils. Kein Problem, der Bruder hat gleich nebenan eine Autowerkstatt, er wird sich das Didimobil gerne mal anschauen. Einziges Problem: Heute morgen scheint wieder alles in Ordnung zu sein.
Ich mache eine kleine Probefahrt, hinauf zu der kleinen Burgruine von letzter Woche und wieder zurück. Vielleicht kann ich das Problem ja reproduzieren?
Eine gute Stunde später bin ich wieder zurück, das Problem ist nur in geringem Umfang wieder aufgetaucht, aber dennoch vernehmbar. In Luans Bar bekomme ich einen super leckeren Hirtensalat und herrlich zarte Qebape, besser bekannt als Ćevapčići. Aber richtig lecker, zart und gut gewürzt anstatt die typische Gummi-Variante in Kroatien.
Nach dem Essen ist das Didimobil dran. Die Auspuffhalterung ist das Problem. Hätte ich eigentlich wissen müssen, gleiches Problem wie vor zwei Jahren ebenfalls in Albanien. Allerdings scheint es dieses Mal an einer anderen Stelle zu klappern und es fehlt ein Ersatzteil. Dies nach Albanien zu bestellen würde rund zwei Wochen dauern, und so wird der Auspuff provisorisch mit Draht wieder festgebunden. Hiermit einen lieben Gruß nach Kashar, 4.000 Kilometer später hält es immer noch. (Y)
Am Nachmittag fahre ich zurück zum Campingplatz, ich entspanne mich bis zum Abend. Mit dem Busfahrer wollen wir heute abend nach Tirana und ein Bier trinken. Leider hat der Kleinbus einen kleinen Defekt, und so muss das Didimobil herhalten. Ich hole den Busfahrer, seine Kinder und den Sohn des Barbesitzers gegen 20 Uhr ab; der Busfahrer möchte gerne das Didimobil fahren, da er sich besser in Tirana auskennt und der Verkehr auch nachts noch mehr als chaotisch ist.
Parkplätze sind Mangelware, und so stellen wir das Didimobil mit eingeschalteten Warnblinkern einfach auf einen Taxistand. Bei eingeschalteten Warnblinkern schleppt die Polizei Autos generell nicht ab, und mit deutschen Kennzeichen gibt es auch keine Strafmandate. Wie praktisch. 🙂
Das Bier entpuppt sich als Maßkrug, dazu gibt es leckeres Fingerfood und wir verbringen einen tollen Abend in der Hauptstadt.