NottinHAMburg on Tour
Montag, 17.07.2017
Der Wettebericht verheißt nichts Gutes: Regen in Cornwall, rund 400 Kilometer südlich von Nottingham. Hier hingegen herrscht perfektes Reisewetter: Sonnenschein, gute 20°C und ein laues Lüftchen. Ich verlasse das Bett reichlich spät, ein letztes Mal werfe ich die 20p-Münze in den Duschautomaten im alten Sanitärgebäude und hoffe auf halbwegs passable Wassertemperaturen. Ein paar Tage nach meiner Rückkehr nach Deutschland soll das neue, moderne Sanitärhaus endgültig in Betrieb gehen. Die Dusche duscht mit einer mittleren Temperatur im annehmbaren Bereich, und mit den drei Minuten meint sie es zum Abschied heute auch sehr gut mit mir.
Die nächste Woche soll eine Premiere für das Didimobil werden. Zwar war der Engländer bereits letztes Jahr mit dem „Sohn“ und mir für drei Nächte im Harz, allerdings zählt das nicht als wirklicher Urlaub im Sinne einer standesgemäßen Didimobil-Reise. Und so wird dieses die erste Reise des Didimobils mit einer international besetzten Crew werden: nottingHAMburg hat viele Seiten. 🙂
Engländer scheinen ihre Mobiltelefone und insbesondere Instant Messaging Dienste zu lieben, und so erfahre ich während des Didimobil reisefertig Machens allerhand Neues über Gott und die Welt, jedoch kommt der Engländer dadurch nicht zum Kofferpacken. Ob ich ihn nicht eine halbe Stunde später abholen könne? – Gerne doch, durch das viele Lesen und Zurückschreiben ist das Didimobil ebenfalls nicht ganz pünktlich startklar. 😉
„Nach rechts, Ampel links, Kreis links, Kreis rechts, Kreis geradeaus, links, Kreis geradeaus, Ampel links, Kreis-Kreis rechts“ soll der geheime Code sein, um zu dem jungen Mann zum Mitreisen zu gelangen. Klappt besser, als ich dachte, und so können wir unser Abenteuer mit nur einer knappen Stunde Verspätung gegen 11 Uhr starten.
Ohne Plan schaffen wir es irgendwie nach Birmingham, von wo wir über die M5 den direkten Weg nach Süden einschlagen, vorbei an den Cotswolds, Bristol und der Cheddar Gorge.
Über die Bundesstraße A361 erreichen wir nach etwa sechseinhalb Stunden unser erstes Ziel, das kleine, an einem Berghang gelegene Fischerdorf Clovelly. Normalerweise kosten Parkplatz und Dorfbesuch Eintritt, aufgrund der bereits vorangeschrittenen Zeit brauchen wir jedoch nichts zu bezahlen und können das Dorf fast komplett ohne Touristenmassen erkunden.
Ein wenig erinnert Clovelly, welches ansich nur aus einer einzigen, sehr steilen Kopfsteinpflasterstraße besteht, an dan Hamburger Stadtteil Blankenese. Autos fahren hier keine, die Bewohner transportieren ihre Einkäufe und Güter mit Schlitten das nicht ganz unrutschige Pflaster hinauf und hinunter.
Eine gute Stunde lassen wir uns Zeit zur Erkundung des kleinen Ortes und des Wiederaufstiegs die rund 100 Höhenmeter hinauf. Die Sonne versinkt langsam hinter der steilen Klippe, von dem angekündigten Regen noch keine Spur. Aber wir befinden uns fairer Weise auch noch nicht in Cornwall, sondern noch kurz vor der Grenze in Devon.
Mobilfunkempfang und mobiles Internet sind hier miserabel, selbst auf dem Parkplatz oben auf den Klippen haben weder der Engländer noch ich brauchbaren Empfang. So fahren wir auf gut Glück weiter Richtung Cornwall auf der Suche nach einem Campingplatz für die Nacht. Angeblich soll es in dieser Gegend Englands kein Problem sein, spontan ein Plätzchen zu finden.
Wir folgen einem Wegweiser zu einem Pub mit angeschlossenem Campingplatz. Den Pub gibt es, einen Campingplatz dort leider nicht, und so fahren wir über immer schmaler werdende Straßen weiter, bis wir einen Wegweiser Richtung Strand finden. Die Straße ist schmaler als das Didimobil, die Rosen- und Dornensträucher kratzen an beiden Seiten am Lack. :O Wenn uns jetzt ein Fahrzeug entgegen kommt, haben wir ein echtes Problem. Kommt es aber nicht, und nach etwa einem Kilometer befinden wir uns am Ende der Welt: Welcombe Mouth in Nord Devon.
Hier fließt der Welcombe River in den Atlantik. Eine deutsche Familie hat am Strand ein Lagerfeuer entfacht, sie werden vermutlich die Nacht in ihrem alten Mercedes-Wohnmobil hier verbringen. Zwei weitere britische Bullis bereiten sich hier ebenfalls für die Nacht vor. Ein idyllisches Plätzchen, allerdings schon etwas arg ab vom Schuss, und wir wollen doch so gerne heute abend noch irgendwo etwas essen gehen.
Wir verlassen diesen wunderbaren Flecken Erde wieder und finden im rund zehn Kilometer entfernten Bude einen Campingplatz etwas oberhalb der Stadt. 25,-£ mit Strom und Dusche. Nicht gerade günstig, doch für britische Verhältnisse eher Durchschnittspreis.
Einen knappen Kilometer bergab befindet sich der Ort Bude. Auf der Suche nach einem Pub werden wir Zeuge eines einmaligen Sonnenunterganges, für den Cornwall so berühmt sein soll. Er ist tatsächlich beeindruckend, doch leider soll es nicht nur unser erster, sondern gleichzeitig auch unser letzter Sonnenuntergang auf dieser Reise werden.
Wir haben zu lange geschaut, die örtlichen Pubs bieten kein Essen mehr an. Wir werden dennoch bei einem Chinesen etwas weiter in der Stadt fündig und satt. Ein erster gelungener Tag der internationalen Reisegruppe neigt sich dem Ende zu.
Das deutsche Urlauberparadies
Dienstag, 17.07.2017
Irgendwie hatte ich heute Nacht das Gefühl, beobachtet zu werden. So ganz falsch lag ich vermutlich nicht, denn genau gegenüber des Campingplatzes liegt eine große Abhörstation des britischen Militärs. :O 😉
Dennoch soll es heute morgen ausgeschlafen die Küste entlang weiter hinein nach Cornwall gehen. Die Sonne scheint, vom angekündigten Regen noch keine Spur. Und so machen wir uns auf den Weg gen Süden und verlassen nach ein paar Kilometern die Hauptstraße, welche weiter landeinwärts verläuft.
Der Vorteil der kleinen Nebenstraßen ist das geringe Verkehrsaufkommen, sodass man auch mal für den ein oder anderen Ausblick anhalten kann. Von der kleinen Küstenstraße eröffnen sich hier und da phantastische Ausblicke auf die Steilküste Cornwalls.
Der Nachteil der kleinen Nebenstraßen besteht in England generell in der Straßenführung. Die Hügel werden ohne Kunstbauten überwunden, was teilweise zu Steigungen von über 30% führt. Ein Wunder, dass das ansich leicht untermotorisierte Didimobil diese Aufgaben langsam, aber mit Bravour meistert.
Durch die Langsamkeit bei Bergauffahrten kann man gerade hier die Ausblicke auf das überraschend türkis schimmernde Wasser und die kleinen Badebuchten genießen.
Wir genießen die Fahrt in ungewohnter Langsamkeit. Ohne Ziel einfach der Küste nach, irgendwo wird die Straße schon hinführen. Ein kleinerer Ort scheint vor uns zu liegen. Bei genauerem Hinsehen besteht er aus einer handvoll Häuser, einem Pub, einer alten Brücke über einen kleinen Bach und einem kostenpflichtigen Parkplatz: Crackington Haven.
Wir bezahlen die 80p für eine Stunde parken. An einem kleinen Strand versuchen sich Surfer an kleinen 1-Meter-Wellen, meist jedoch mit nur mäßigem Erfolg. 17° Wassertemperatur ist uns allerdings zu kalt, wir entscheiden uns für ein leckeres Frühstück im örtlichen Pub.
Nach der morgendlichen Stärkung verlassen wir Crackington Haven und machen uns auf den Weg nach Boscastle, einem leider auch bei anderen Touristen sehr beliebten Fischerort an der Mündung des Valency-Flusses ins Meer. Mit dem Verlassen von Crackington Haven verlässt uns dann leider auch die Sonne, doch davon wollen wir uns nicht abschrecken lassen.
Der Parkplatz des kleinen Örtchens Boscastle ist bereits gut gefüllt, überraschend viele Fahrzeuge mit deutschem Nummernschild stehen hier. Knapp ein Drittel aller Touristen in Cornwall sollen Berichten zu Folge aus Deutschland kommen. Man lernt irgendwie nie aus.
Eine Stunde soll reichen, gegessen haben wir bereits und sehr groß scheint der Ort mit seinem vorgelagerten Hafenbecken und den antiken Flutschutzmauern nicht zu sein. Wir folgen den Touristenmassen Richtung Meer. Dem Engländer fällt als erstes auf, dass fast alle Menschen hier deutsch sprechen. Komisch, dass einem das als Muttersprachler gar nicht so wirklich bewusst wird. 😉
Wir schlendern weiter bis zum kleinen Hafen. Während unserer Woche in Cornwall wird die Flut zur Mittagszeit ihren Höhepunkt haben, morgens und abends hingegen ist Ebbe angesagt. Der Tidenhub in dieser Gegend ist einer der extremsten auf der Welt mit Wasserstandsunterschieden von bis zu sechs Metern.
Die eine Stunde reicht aus, um den kleinen, trotz Touristenmassen sehenswerten Ort zu erkunden, wenn man nicht plant, irgendwo einzukehren.
Ein paar Kilometer südlich von Boscastle soll es einen sehenswerten Wasserfall im St. Nectan’s Glen geben. Außer einem kleinen, völlig zugeparkten „Wasserfall“-Parkplatz sehen wir keinerlei Hinweisschilder und fahren erst einmal dran vorbei. Wir drehen um, der Parkplatz ist tatsächlich komplett belegt, und so stellen wir das Didimobil auf den ausnahmsweise vorhandenen Grünstreifen neben der Landstraße. Sofort tun uns dies zwei Autos mit deutschem Kennzeichen gleich. Was wollen die bloß alle hier? 😉
Das vorhergesagte Wetter hat uns in diesem Moment erreicht, es fängt leicht an zu nieseln. Wir lassen uns jedoch nicht abschrecken und begeben uns auf die Suche nach dem Wasserfall. Etwa zehn Minuten Fußweg später erreichen wir den Eingang mitsamt kleinem Café. Inzwischen hat es angefangen, stärker zu regnen. Wir genehmigen uns einen Kaffee und harren der Dinge.
Nach einer halben Stunde lässt der Regen nach. 5,60£ kostet der Eintritt, Gummistiefel inklusive. Was solls, wir sind schließlich nicht zum Spaß hier, also Schuhe getauscht und den steilen, rutschigen Weg hinunter zum Wasserfall in Anlauf genommen. Der Wasserfall selber liegt ein wenig „um die Ecke“, um zu ihm vorzudringen, muss man ein Stückchen durch den kleinen Fluss waten. Dafür also die Gummistiefel. Dafür steht man direkt vor dem rund 20 Meter hohen Wasserfall im Wasser. D
Inzwischen hat es wieder aufgehört zu regnen, und wir beschließen, dem kleinen Fluss Trevillet bis zu seiner Mündung ins Meer etwa einen Kilometer westlich zu folgen. Vorbei an der Ruine der Trevethet Mill, einer alten Wassermühle, erreichen wir schließlich das Rocky Valley, durch welches sich der Fluss seine letzten Meter bis zu seiner Mündung schlängelt. Außer uns sind fast keine Menschen hier unterwegs.
Gute drei Stunden hat uns dieser Ausflug gekostet, langsam geht es auf 18 Uhr zu. Der Engländer bekam von vielen seiner Freunde die Empfehlung, auf jeden Fall nach Newquay zu fahren. Toller Ort, Surferparadies, da tobt das Leben. 50 Kilometer sind es noch bis dorthin, laut Google Maps rund eine Stunde Fahrzeit. Wenn es eine Touristenhochburg ist, wird es sicherlich auch einen Campingplatz dort geben. Wir nehmen die Schnellstraße im Landesinneren und erreichen nach einer guten Stunde um kurz nach 18 Uhr Newquay bei strahlendem Sonnenschein.
Ein Campingplatz findet sich sehr zentral neben dem örtlichen Zoo in fußläufiger Entfernung zum Stadtzentrum, mit 18,-£ pro Nacht gehört er sogar zu den günstigeren Campingplätzen in England.
Eine gute Viertelstunde laufen wir in die Stadt, die auf mich so gar nicht einladend wirkt. Wir finden zuerst nur teure Restaurants oder chinesische Imbissbuden neben Spielhallen und heruntergekommenen Supermärkten. Google sagt, wir seien im falschen Stadtviertel, und so vertrauen wir dem Internet und begeben uns in Richtung“Altstadt“.
Der Strand ist riesig, in einer guten Stunde ist der Tiefststand der Ebbe erreicht. Auf einem Felsen thront ein einzelnes Haus, erreichbar nur über eine Brücke vom Festland aus. Macht durchaus etwas her, dafür darf man sich nicht umdrehen und die Uferbefestigungen und Gebäude im Brutalismus-Stil an der Küste betrachten. Etwas heruntergekommen und trist wirkt dieser so großartig angepriesene Küstenort.
Oberhalb des Strandes finden wir auf Empfehlung einen Pub mit sehr vorzüglichem Essen. Es gibt Lasagne mit Salat und wahlweise Knoblauchbrot oder Pommes. Die Zusammensetzung des britischen Essens ist gewöhnungsbedürftig, essen kann man es aber allemal.
Satt und zufrieden machen wir uns nach Anbruch der Dunkelheit auf zum Campingplatz und genehmigen uns ein Pimm’s vor dem Didimobil. Es ist noch angenehm warm und wir hoffen, dass das schöne Wetter von heute abend noch ein paar Tage anhält.