Über das Haukelifjell nach Voss
Montag, 01.09.2014
Das war eine kalte Nacht. Bei 3,7°C im Didimobil fällt das Aufstehen morgens um halb acht gar nicht schwer, wenn man sich überlegt, dass während der Fahrt die Heizung funktioniert. Kurz geduscht und einen heißen Kaffee im angrenzenden Hotel genossen, bevor wir zur neuen Tagesetappe anbrechen.
Erster Stopp ist Haukeli, welches bis 1999 noch Haukeligrend hieß, am Ende der Straße mit der Nummer 9. Hier füllen wir unsere Essens- und Getränkevorräte in einem kleinen Supermarkt wieder auf und fahren entlang der Europastraße E134 Richtung Nordwesten.
Mehrere alte Passstraßen sind auf der E134 inzwischen durch Tunnel ersetzt worden. Da die meisten dieser alten Pässe so gut wie keinen Verkehr mehr aufweisen, aber nach wie vor offiziell befahrbar sind, wählen wir die schönere Alternative und verzichteten auf die Tunnel.
Am Vågslidtunnel führt die alte Passstraße entlang des Kjelavatn-Sees, wo wir erst einmal eine ausgiebige Frühstückspause einlegen. Während der guten halben Stunde kommt hier kein einziges Auto an uns vorbeigefahren.
Kaum zurück auf der ebenfalls wenig befahrenen E134 kommen uns alsbald eine Menge Falschfahrer – ähm, Falschläufer – entgegen. Eine Horde Ziegen nutzt die Straße als Wanderweg und lässt sich auch durch die wenigen dort fahrenden Autos nicht aus der Ruhe bringen.
Der längste Tunnel entlang der E134 ist der Haukelitunnelen mit 5.682m Länge. Bis zu seiner Fertigstellung im Jahre 1968 war eine alte Passstraße, die im Winter häufig gesperrt werden musste, die einzige Möglichkeit der Querung des Haukelifjells. Heute hat man die alte Straße über das Hochplateau fast ganz für sich alleine.
Hinter jeder Kurve und hinter jedem Tunnel scheint sich in Norwegen die Landschaft zu ändern. Die Europastraße E134 führt bei Røldal hinunter an den Røldalsvatnet, einen sieben Quadratkilometer großen See. Kurz dahinter bei Håra verlassen wir die E134 und biegen auf die Reichsstraße 13 (RV13) gen Norden ein.
Die RV13 wartet alsbald mit einem weiteren Tunnel auf, der nur danach schreit, von uns ebenfalls umfahren zu werden. Den gut 4,5km langen Røldalstunnelen gilt es diesmal zu umfahren. Die Straße ist eng und steil, aber wer diese Strapazen auf sich nimmt, wird mit einmaliger Landschaft belohnt.
Seit heute morgen sind wir jetzt schon über vier Stunden unterwegs, und der Tacho zeigt gerade einmal 100 gefahrene Kilometer. Wenn wir in diesem Tempo weiterfahren, wird es eng werden mit den gesetzten Terminen nahe des Polarkreises.
Auf der weiteren Strecke nach Norden liegt der Låtefossen, einer der bekanntesten Wasserfälle Norwegens. Eigentlich ein doppelter Wasserfall, verschmelzen die beiden insgesamt 165m hohen Wasserfälle unterwegs zu einem einzigen Wasserfall, welcher tosend unter der alten sechsbögigen Steinbrücke der Nationalstraße RV13 hindurchrauscht und je nach Wetterlage den darüber fahrenden Autos eine kostenlose Wagenwäsche spendiert.
Weiter gen Norden bietet sich kurz vor Odda auf der linken Seite der Blick zum Folgefonna–Gletscher, mit einer Fläche von 214 km² der drittgrößte Festlandgletscher Norwegens.
In Odda stehen wir vor der Wahl: Rechtsherum über die Hardanger-Brücke den Fjord überqueren, oder die Straße am linken Ufer des Hardangerfjordes nehmen und von Utne nach Kvanndal mit der Fähre übersetzen?
Laut Fahrplan fährt die nächste Fähre in einer Stunde, bis Utne sind es 50 Kilometer, und Fähren gehören zu Norwegen wie Lachs und rote Häuser. Also linke Route nehmen und feststellen, dass norwegische Straßen auch ohne Sightseeing nur langsam befahren werden können. Also statt Naturschönheiten bewundern einfach mal etwas schneller fahren und gerade pünktlich zur Abfahrt Utne erreichen. Rauf auf die Fähre, hinter uns Schotten dicht und los fährt der Kahn. So etwas nennt man wohl „Punktlandung“.
Die etwa halbstündige Überfahrt nutzen wir zum Relaxen und überlegen, wo wir am Abend eventuell übernachten können. Die Wahl fällt auf einen Campingplatz in der Nähe von Voss, direkt am Tvindefossen Wasserfall.
Den Spaziergang zur Spitze des Wasserfalls sparen wir uns, da es mal wieder zu regnen beginnt. Auf unser Grillfleisch wollen wir dennoch nicht verzichten, und so wird kurzerhand der Sonnenschirm (der kostete 1,99€ bei Ikea und ist aus Plastik) zum Regenschirm umfunktioniert und das Abendmahl kann zubereitet werden.
Fazit des Tages: 224 km in 9 Stunden, macht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 25 km/h. Wenn wir so weiterfahren, werden wir zwei bis drei Tage nach dem Spiel in Luleå eintreffen.