Pack die Badehose ein
Donnerstag, 18.08.2016
Über Nacht habe ich wenig geschlafen. Es war heiß, und albanische Mücken sind in allem doppelt so gut wie in Deutschland: Doppelt so klein, doppelt so laut, doppelt so blutrünstig und doppelt so schnell.
Um halb neun stehe ich auf, ein Huhn besucht mich und ich habe Mühe, es vom Betreten des Didimobils abzuhalten. Welch ein Deja-Vu, irgendwie scheint das Didimobil eine magische Anziehungskraft auf Hühner auszuüben. 😀
Nach dem Duschen verabschiede ich mich von der sehr netten Campingplatzbetreiberin, ich werde den Platz gerne weiterempfehlen. Ich holpere mit dem Didimobil die Staubpiste hinunter, biege rechts auf die Straße ab und finde den Abzweig zu dem Haus des Busfahrers auf Anhieb. Ein wenig fühlt es sich an, als würde ich hier schon ewig wohnen. Der Sohn steht mit einer Freundin bereits vor der Tür und wartet freudig auf mich. Luan freut sich über unseren Besuch, wir trinken einen dieser leckeren „Türkisch Kaffee“ aus den kleinen Tassen mit viel Zucker, dazu gibt es kleines Blätterteiggebäck.
Zwischenzeitlich rumpelt der orangefarbene Kleinbus vorbei, der Fahrer steigt aus und gesellt sich zu uns, diesmal hat er eine halbe Stunde Pause. Frühstück unter Freunden, ich möchte heute weiter an die Küste. Über den Llogara-Pass soll ich unbedingt fahren, der sei toll und gut ausgebaut. Google ist da anderer Meinung und behauptet, die Straße sei unpassierbar und empfiehlt einen 150-Kilometer-Umweg.
Nach einer Stunde verabschieden wir uns herzlich und versprechen, uns irgendwann wiederzusehen. Entweder in Tirana, oder in Hamburg. Ich fahre den Jungen nach Hause, damit Vaddern pünktlich zu seiner nächsten Tour kommt und mache mich auf den Weg gen Süden.
Die Autobahn zwischen Tirana und der Hafenstadt Durrës ist gut ausgebaut, allerdings auch stark befahren. Gewerbebetriebe, Werkstätten und manchmal auch Wohnhäuser liegen direkt an der Autobahn mit direkten Zu- und Abfahrten; Autos, Fahrräder, Fußgänger und Nutztiere sind als Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, Busse halten am Fahrbahnrand an, um Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen. Auch Gegenverkehr auf dem Standstreifen ist nicht unbedingt ungewöhnlich.
Dafür lässt die Ausschilderung am vermutlich einzigen Autobahnkreuz Albaniens zu wünschen übrig, und so verpasse ich die Abfahrt auf die A2 Richtung Fier, was mir eine unfreiwillige kleine Stadtrundfahrt durch Durrës beschert.
Die Autobahn Richtung Süden verläuft sehr geradlinig, der Verkehr hält sich in Grenzen, die Landschaft ist flach und karg. Am Straßenrand stehen etliche Obstbauern und bieten ihre Waren feil. Einfach auf dem kaum vorhandenen Standstreifen anhalten, aussteigen, Obst kaufen, einsteigen, weiterfahren.
Die geradlinige Streckenführung erlaubt es Fußgängern, hier mehr oder weniger „gefahrlos“ die Autobahn zu queren, insbesondere an „Bushaltestellen“, an denen der Bus auch gerne mangels Standstreifen einfach auf er rechten Spur anhält.
Kurz vor Fier endet die Autobahn, eine Umfahrung der Industriestadt ist in Arbeit und soll im Laufe des nächsten Jahres fertiggestellt werden. Bis dahin quält sich der gesamte Verkehr durch die holprigen Straßen der 55.000-Einwohner-Stadt.
Der Verkehr ist mehr als chaotisch, eine gute halbe Stunde für knapp sechs Kilometer. Spätestens im Kreisverkehr, an dem die Straße nach links weiterführt, möchte man am liebsten das Auto heulend am Straßenrand stehen lassen: Keine Straßenmarkierungen, drei bis vier Fahrzeuge nebeneinander, die Einen wollen raus aus dem Kreis, die anderen rein in den Kreis. Verkehrsregeln gibt es nicht, zwei Polizisten stehen am Straßenrand, trillern in ihre Trillerpfeife und deuten den Autofahrern mit wilden Gesten an, gefälligst schneller zu fahren. Leichter gesagt als getan, wenn der Verkehr bereits völlig zum Erliegen gekommen ist.
Es gilt das Recht des Stärkeren, oder des Größeren, oder alle haben recht oder keiner. So genau weiß man es nicht, aber das Didimobil kommt ohne einen einzigen Kratzer aus dem Wirrwarr an Autos wieder heraus – und sogar in die richtige Richtung.
Stockend bewegt sich der Verkehr aus der Stadt heraus, am Straßenrand alle paar hundert Meter Verkehrspolizisten, die jeden anträllern, der zu langsam fährt. Also eigentlich alle. Ein kläglicher Versuch, den Verkehr in der Stadt zu entlasten. 😀
Etwa acht Kilometer südlich von Fier ist die Autobahn auf einem kurzen Teilstück bereits fertiggestellt. Vorbei an großen Salzfeldern geht es zügig nach Vlorë, der drittgrößten Stadt des Landes. Hier endet die Autobahn abrupt und ohne Wegweiser, es gibt nur rechts oder links. Wohl dem, der eine Landkarte griffbereit hat.
Über einen kleinen Umweg finde ich den Weg zurück auf die Hauptstraße durch die 80.000-Einwohner-Stadt. Sauber ist es auch hier, dennoch macht die Hafenstadt einen eher tristen ersten Eindruck im Vergleich zu Tirana oder Shkodër auf mich.
Entlang der Küstenstraße wird derzeit eine neue Promenade gebaut, generell macht der Ort hier einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Das kann durch die Bauarbeiten täuschen, aber auch der Strand würde mich jetzt nicht vom Hocker hauen. Dabei hatte ich vorher so viel Tolles über albanische Strände gelesen. Dennoch scheint hier der inländische Tourismus auf Hochtouren zu laufen, ein Hotel reiht sich an das Nächste.
Die Straße verlässt Vlorë und schlängelt sich entlang der felsigen Küste bis zum kleinen Badeort Orikum mit unzähligen keinen Hotels und Fischrestaurants. Am Ende des Ortes befindet sich eine antike Ausgrabungsstätte, die sich jedoch auf militärischem Sperrgebiet befindet und daher für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.
In Orikum wendet sich die Straße ab von der Küste und steigt steil, eng und kurvenreich bis auf 1.027 Metern zum Llogara-Pass an. Erst 2008 wurde diese Straße geteert, gerade in den Sommermonaten ist sie dem immer weiter zunehmenden Verkehrsaufkommen als einzige feste Verbindung von der albanischen Riviera nach Norden heute kaum noch gewachsen.
Eine Autoschlange windet sich den Berg hinauf, Steigungen von rund 10% lassen schwere LKW nur in Schrittgeschwindigkeit hinauffahren, 180°-Kehren machen teilweise ein Rangieren notwendig. Aber was solls, Zeit ist relativ.
Eine halbe Stunde dauert der rund 20 Kilometer lange Aufstieg, bis die Passhöhe erreicht ist. Hier gibt es zwei Panorama-Restaurants und ein Hotel, der Blick öffnet sich auf das Mittelmeer mit der albanischen Riviera, bei gutem Wetter kann man bis zur 50 Kilometer entfernten Insel Korfu schauen.
Der Blick ist phantastisch. Nur drei Kilometer Luftlinie entfernt ist das Meer, aber 1.027 Meter unterhalb. Leider ist es heute diesig, Meer und Himmel bilden eine farbliche Einheit, was ein Unterscheiden kaum möglich macht. Somit geht viel an Tiefenwirkung verloren.
Die Straße hinunter zum Meer ist ein Traum. Steil und immer am Hang entlang windet sie sich mit nur sieben Richtungswechseln den Berg hinunter, ständig mit einem phantastischen Aus- und Weitblick über die südalbanische Küste.
Als ich fast unten angekommen bin, erspähe ich einen Wegweiser mit der Aufschrift „Plazh“: Strand. Spontan folge ich der nagelneu geteerten Straße, die sich empfindlich steil einen guten Kilometer bis zum Strand hinunter zieht. Ich parke das Didimobil direkt auf dem Strand, das wollte ich immer schon mal machen.
Zwei weitere Bullis stehen bereits dort: Ein Albaner und einer aus Ulm. Ich möchte eigentlich nach Himarë, knapp 30 Kilometer südlich von hier. Die beiden anderen Bullifahrer scheinen hier zu campieren und ich überlege kurzzeitig, ob ich es ihnen gleich tun soll.
Auf dem breiten Kiesstrand sind etliche Sonnenschirme aufgestellt mit Liegen darunter, die wenigsten davon sind belegt. Das Wasser schimmert intensiv hellblau wie in einer Kinderzeichnung, die Wassertemperatur liegt bei 26°C. Die Anzahl der Menschen hier ist überschaubar, ich hole mir meine Badehose und genehmige mir ein Bad in dem farbenfrohen Wasser. Am liebsten würde ich es trinken, wenn es bloß nicht so salzig wäre.
In einer kleinen Strandbar, aus einfachen Holzlatten zusammengezimmert, genehmige ich mir ein „Ivi“, eine super leckere Pfirsichlimonade, und genieße den Blick auf Strand und Meer. Nebenan befindet sich ein großes Ferienresort im Bau, die Straße ist erst dieses Jahr geteert worden. Nächstes Jahr soll das Resort eröffnen, dann wird es vorbei sein mit der Ruhe an diesem schönen Fleckchen Erde.
Ich entschließe mich weiterzufahren und nicht hier zu campieren, schließlich drängt die Zeit, und ich möchte noch so viel von diesem wunderbaren Land sehen. Von der Küstenstraße aus hat man jeder Zeit einen tollen Blick auf kleine Badebuchten und das türkisfarbene Meer. Kurz vor Himarë zweigt eine Stichstraße hinunter zum Livadhi-Strand ab. Ein „Geheimtip“ soll es sein, laut Google Earth gibt es dort zwei empfehlenswerte Campingplätze.
Als Geheimtip würde ich es hier nicht mehr bezeichnen. Viele Autos parken am Strand, viele Liegen unter den Schirmen sind belegt. Der erste – empfohlene – Campingplatz sieht sehr voll aus, ich fahre bis zum Ende des Straße. Der Campingplatz dort sieht eher verlassen aus und sagt mir weniger zu. Als ich zurückfahre, hält mich eine Frau an und fragt mich in perfektem Deutsch, ob ich einen Campingplatz suche. Ein Deutsches Ehepaar, ausgewandert nach Albanien, hat diesen Sommer hier einen noch nirgends verzeichneten Campingplatz eröffnet. Ich lasse mich darauf ein, der Platz ist idyllisch unter alten Olivenbäumen gelegen mit viel Schatten und viel Platz.
Ich bade noch eine Runde im herrlichen Wasser, danach schaue ich mich nach etwas Essbarem um. Am Campingplatz am Ende der Straße finde ich Spaghetti Arrabiata für 1,20€ und ein leckeres Bier für einen Euro. Ich genieße den Sonnenuntergang und mache mich kurz bevor es komplett dunkel ist auf den Weg zurück zu meinem Campingplatz, wo ich noch ein Glas Wein trinke. Dazu noch ein Fladenbrot mit Tzatziki. Urlaub.
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