Niedersachsen: Von Wischhafen bis Bremervörde
Rund 250 Kilometer ist sie lang, verläuft von Kiel einmal quer durch Schleswig-Holstein bis ins niedersächsische Bremervörde und quert im Idealfall bis zu 30 Mal ein Gewässer: Die Deutsche Fährstraße. Die 2004 ins Leben gerufene Ferienstraße zeigt auf unterschiedlichste Weise die Möglichkeiten auf, die der Mensch jemals entwickelt hat, um trockenen Fußes ein Gewässer zu überqueren. Neben den zahlreichen Fähren über die Oste, den Nord-Ostsee-Kanal und der Elbfähre Glückstadt-Wischhafen zählen die beiden letzten deutschen Schwebefähren in Osten und in Rendsburg (nach einem Anfahrschaden im Januar 2016 ausser Betrieb) sowie die Eisenbahnhochbrücken bei Rendsburg und Hochdonn zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten entlang der Deutschen Fährstraße.
Übersicht über die Deutsche Fährstraße, schleswig-holsteinischer Teil geschätzt.
rot = Flussquerung entlang der Route
grau = Flussquerung, nicht genutzt oder inaktiv
grün = Sehenswürdigkeit entlang der Route
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem niedersächsischen Teil der Deutschen Fährstraße von Wischhafen, dem südlichen Endpunkt der Elbfähre Glückstadt – Wischhafen, entlang des längsten linken Nebenflusses der Niederelbe bis nach Bremervörde. Hier geht es zum vorherigen Teil von Kiel bis Glückstadt entlang des Nord-Ostsee-Kanals.
Die Elbfähre Glückstadt – Wischhafen ist derzeit die einzige Möglichkeit, die Elbe ungefähr auf halbem Wege zwischen Hamburg und der Mündung in die Nordsee zu queren. 50 Kilometer sind es elbaufwärts bis zum Elbtunnel in Hamburg, flussabwärts ist nach ebenfalls rund 50 Kilometern die offene Nordsee bei Cuxhaven erreicht. Gerade in der Hauptreisesaison, bei Stau im Elbtunnel oder bei Großveranstaltungen auf einer der beiden Elbseiten gelangt die Fähre schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Maximal vier Fährschiffe mit einer Kapazität von 60 PKW pendeln zwischen 6 und 22 Uhr im Regelfall alle halbe Stunde zwischen dem schleswig-holsteinischen Glückstadt und dem niedersächsischen Wischhafen, bei großem Andrang wird der Takt auf drei Abfahrten pro Stunde erhöht. Dennoch kann es hier in Spitzenzeiten zu Wartezeiten von über zwei Stunden kommen, die Fährgesellschaft informiert recht zuverlässig über aktuelle Wartezeiten im Internet unter https://www.elbfaehre.de/. In ferner Zukunft soll die Fähre durch eine feste Elbquerung im Zuge der Autobahn A20 ersetzt werden, mit einer Fertigstellung ist vor 2027 nicht zu rechnen.
Von Wischhafen aus führt die Deutsche Fährstraße Richtung Freiburg an der Elbe, wo sie die Hauptstraße verlässt und über Krummendeich und Balje immer entlang des Elbdeiches führt. Hier steht auch das erste Mal seit Kiel ein Hinweisschild auf die Deutsche Fährstraße am Straßenrand. Generell wird der südliche Teil der Fährstraße durch die Anliegergemeinden der Oste wesentlich stärker beworben als es in Schleswig-Holstein der Fall ist.
Zwischen Balje und Neuhaus befindet sich das nach der Sturmflut 1962 gebaute und 1968 in Betrieb genommene Ostesperrwerk. Dieses Sperrwerk war notwendig geworden, da es während der Jahrhundert-Sturmflut 1962 entlang des tideabhänigen Unterlaufes der Oste zu mehr als 30 Deichbrüchen kam und über 19 Kilometer Deichlinie beschädigt wurden. Direkt am Ostesperrwerk befindet sich ebenfalls das 1990 errichtete Natureum Niederelbe, ein naturkundliches Freiluftmuseum, welches insbesondere über Flora und Fauna im Niederelberaum informiert.
Eingeschränkte Zeiten für die Querung des Ostesperrwekes:
Die Querung des Ostesperrwerkes für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer ist nur dienstags bis donnerstags sowie an Wochenenden in der Zeit von 10 bis 17 Uhr möglich, montags und freitags ist eine Überquerung grundsätzlich nicht möglich.
Vom Natureum führt die Deutsche Fährstraße weiter über Neuhaus nach Geversdorf, rund fünf Kilometer flussaufwärts. Hier befindet sich auch eine Straßen-Klappbrücke über die Oste, über welche man zu den Sperrzeiten des Ostesperrwerkes auf die südliche Flusseite wechseln kann. Von hier führt eine kleine Straße immer hinter dem Ostedeich entlang über Laak nach Oberndorf. An Wochenenden lohnt sich eine Einkehr im Kulturhaus Rittergut Niendieck auf eine Tasse Kaffee und eine Auswahl an sehr leckeren selbstgebackenen Kuchen.
In dem kleinen Ort Oberndorf besteht per Klappbrücke die nächste Möglichkeit, die Oste zu überqueren. Einst als „Fluss der Fähren“ bezeichnet, sind heute fast alle Fähren entlang der Oste durch Brückenbauwerke ersetzt worden. Die Brücke in Oberndorf ersetzte bereits 1977 die an gleicher Stelle die Oste querende Fähre. Bekannt ist Oberndorf für die 1635 erbaute evangelische Kirche Sankt Georg mit ihrer Orgel aus dem Jahre 1879. Ebenfalls in Oberndorf beheimatet ist das älteste Fahrgastschiff Deutschlands, die 1872 gebaute Mocambo. Täglich werden von der Oste-Schiffahrt in Abhängigkeit der Tide verschiedene Fahrten von Oberndorf aus angeboten.
Wir bleiben auf der westlichen Seite der Oste und folgen ihr bis ins knapp sechs Kilometer entfernte Hemmoor. An der Kreuzung zur B73 befindet sich das Deutsche Zementmuseum. Hemmoor war bis 1983 einer der weltweit wichtigsten Zementproduzenten, so wurde Hemmoorer Zement beispielsweise beim Bau des Alten Elbtunnels, des Hotel Atlantic und des Chilehauses in Hamburg verwendet, aber auch der Sockel der New Yorker Freiheitsstatue besteht aus Zement aus Hemmoor. Auf dem Freigelände des Deutschen Zementmuseums sind verschiedene Maschinen von Zementförderpumpen, Unterlenkrollen für die Seilbahnen und Hochdruckventilatoren bis hin zu Lokomotiven der Werksbahn und einem Leichter (ein schutenähnliches Binnenschiff) frei zugänglich ausgestellt, in dem Leichter befinden sich weitere Ausstellungsräume, die aber nur nach Voranmeldung zu besichtigen sind.
Nicht weit entfernt von Hemmoor befindet sich der kleine Ort Osten. Seit 1974 quert hier die B495 über eine schnöde Betonbrücke die Oste, davor bestand die einzige Querungsmöglichkeit in einem von zwei Wahrzeichen der Deuschen Fährstraße: Der Schwebefähre Osten. 1909 erbaut sollte sie eigentlich nach der Eröffnung der neuen Straßenbrücke abgerissen werden, was nur durch den tatkräftigen Einsatz der Fördergesellschaft zur Erhaltung der Schwebefähre Osten verhindert werden konnte. Inzwischen gilt sie als eine von noch acht weltweit existierenden Schwebefähren als Historisches Wahrzeichen der Ingenierbaukunst in Deutschland und setzt halbstündlich von April bis Oktober Fußgänger, Rad- und Motorradfahrer von Osten nach Hemmoor über. Für 10,-€ werden auch historische PKW übergesetzt, Voraussetzung dafür ist allerdings ein H-Kennzeichen, worauf das Didimobil im Idealfall noch bis nächstes Jahr warten muss.
Neben der Schwebefähre Osten – Hemmoor gibt es in Osten noch die Barockkirche St. Petri, welche in den Jahren 1746/1747 von Johann Leonhard Prey, einem Mitbauer des Hamburger Michels, aus Backsteinen errichtet wurde. Die Inneneinrichtung ähnelt auch heute, gut 250 Jahre nach der Errichtung, der des Hamburger Michels.
Gute acht Kilometer Luftlinie von der Schwebefähre Osten – Hemmoor flussaufwärts quert die Niederelbebahn Hamburg-Harburg – Cuxhaven die Oste. Die ansich durchgängig zweigleisig trassierte Hauptstrecke quert an dieser Stelle noch immer über eine 1945 von britischen Pionieren errichtete eingleisige Behelfsbrücke den Fluss, nachdem im Zuge des Zweiten Weltkrieges die eigentliche Brücke in den letzten Kriegstagen gesprengt wurde. Die vielbefahrene Bundesstraße B73 wird ebenfalls mit dieser auch über siebzig Jahre später noch funktionierenden Behelfsbrücke überspannt, für Fahrradfahrer und Autofahrer, die es lieber etwas weniger hektisch mögen, bietet sich die kurvenreiche und schmalere Strecke von Osten über Großenwörden, Neuland und Breitenwisch nach Burgweg an. Von hier führt die Deutsche Fährstraße über Blumenthal und Kranenburg nach Brobergen.
Etwas abseits des Ortes Brobergen befindet sich die Fährstelle von einer von noch drei aktiven Prahmfähren über die Oste. Von Mai bis September bringt der kleine Lastkahn mit Kettenantrieb Fußgänger, Radfahrer und PKW sicher auf die andere Flussseite. Anfordern kann man den Fährmann per Zuruf oder mit Hilfe einer kleinen Glocke.
Ein Prahm bezeichnet ein sehr flaches Schiff ohne gewohnt bauchige Unterböden oder Aufbauten und somit ohne eigenen Stauraum und kann als die Ur-Form heutiger Fährschiffe angesehen werden. Prahme dienten ursprünglich zum Übersetzen von Gütern, Personen und Vieh über einen Fluss und wurden oftmals an einer durch den Fluss gezogenen Kette befestigt allein durch die Flussströmung angetrieben.
Da sich auf der anderen Seite des Flusses mehr oder weniger „Nichts“ befindet, verzichtet auch die Deutsche Fährstraße auf ein Übersetzen mit dem motorgetriebenen Fährprahm und verbleibt am östlichen Ufer der Oste.
Auf halbem Wege bis nach Gräpel befindet sich die zweite noch in Betrieb befindliche Prahmfähre, welche jedoch ausschließlich für den Viehtransport zugelassen ist und daher weder Fußgänger, noch Fahrzeugführer befördert. Somit besteht in Gräpel am Gasthaus Zum Osteblick mit einer der letzten durch Muskelkraft betriebenen Prahmfähren die letzte Möglichkeit zum Überqueren der Oste vor Bremervörde. In den Sommermonaten werden hier täglich von 10 bis 19 Uhr Fußgänger und Fahrzeuge bis maximal fünf Tonnen gegen einen kleinen Obolus vom Fährmann per Muskelkraft über die 25 Meter breite Oste gesetzt. Auch befindet sich hier ein sehr ruhiger Stellplatz für Wohnmobile; die Küche des Gasthauses macht einen vorzüglichen Eindruck.
Sollte der Fährmann nicht an der Fähre sein, so erreicht man ihn im Gasthaus oder hat ebenfalls die Möglichkeit, eine kleine Glocke zu läuten. Wer sich am gegenüberliegenden Westufer befindet, ruft mit dem traditionellen Ruf „Fährmann, hol över!“ möglichst laut genug, dass man es im Gasthaus hören kann. Alternativ ist auch die Telefonnummer des Gasthauses angeschlagen, falls man an Heiserkeit oder einer zaghaften Stimme leiden sollte. 😉
Da die Oste bis nach Bremervörde hin ein von den Gezeiten abhängiger Fluss ist, ist es nicht sicher, ob das Didimobil überhaupt an dieser Stelle übergesetzt werden kann. Nach eingehender Inaugenscheinnahme des Fährmanns mit albanischen Wurzeln wird ein Versuch gewagt. Er fährt selber ebenfalls einen Bulli und ist sehr angetan davon, dass das Didimobil bereits zwei Mal in Albanien war. Nächstes Mal soll es aber unbedingt in den Kosovo fahren, die Menschen seien mindestens genauso herzlich und die Landschaft nicht minder grandios. Kommt ganz oben auf die To-Do-Liste. 🙂
Das Wasser ist tief genug und mit Muskelkraft und etwas Unterstützung durch Didi beim Anlegemanöver wird das Didimobil sicher auf die gegenüberliegende Seite manövriert. Hier, mitten im Nichts, gibt es keinerlei Ausschilderung mehr. Links ist eine Sackgasse, daher folgt man dem kleinen Wirtschaftsweg für ungefähr einen Kilometer nach rechts und biegt an dem kleinen Wehrhäuschen eines Entwässerungskanals nach links nach Ostendorf ab. Hält man sich am Ende der Straße links, so erreicht man nach gut zehn Kilometern das Ende der Deutschen Fährstraße in Bremervörde. Das Didimobil hat für den heutigen Tag noch eine längere Strecke vor sich, soll es doch bis zum Abend noch ins niederländische Giethoorn gehen und am nächsten Tag zum Fußball-Freundschaftsspiel des Magischen FC gegen den niederländischen Erstligisten SC Heerenveen.