Das Bayern München Nordirlands
Samstag, 20.04.2019
Pünktlich um neun steht heute morgen unser Eishockeyfreund aus Belfast auf der Matte. Wir hatten gestern ihm gegenüber unseren Wunsch bekundet, uns heute auf jeden Fall die weltberühmte Titanic-Ausstellung anschauen zu wollen, er bestand darauf, dass wir möglichst früh dort hingehen, da es sonst von Touristen nur so wimmele. Und er bestand darauf, uns zu fahren, auch wenn er selber aus Gründen dort nicht mit hingehen möchte.
Auf dem Weg zur Titanic Belfast genannten Ausstellung kommen wir am Stormont Estate vorbei. Diese schöne Parkanlage im Osten der nordirischen Hauptstadt beherbergt die Regierungsgebäude der nordirischen Regierung, wobei das von 1928 bis 1932 im klassisch griechischen Stil errichtete Parliament Buildings schlossartig am Ende einer genau eine Meile langen, schnurgeraden Straße liegt und so vom Haupteingang des Stormont Estate gut einsehbar ist.
Ein paar Minuten weiter sind am Horizont bereits die zwei großen, gelben Krane der Harland & Wolff Schiffswerft zu sehen. Goliath und Samson heißen die beiden 1969 bzw. 1974 von der deutschen Firma Krupp gebauten Wahrzeichen Belfasts und gehören mit 96 Metern (Goliath) bzw. 106 Metern (Samson) Höhe und einer Hubkraft von über 800 Tonnen pro Kran zu den größten und mächtigsten Kranen der Erde.
Gleich nebenan befindet sich das Titanic Quarter, ein in der Umstrukturierung befindliches Hafengebiet. Hier wurde 2012, 100 Jahre nachdem der legendäre Luxusliner auf seiner Jungfernfahrt einen Eisberg rammte und versank, die Ausstellung Titanic Belfast auf dem ehemaligen Harland & Wolff Gelände errichtet. Der futuristische Bau befindet sich direkt neben dem heute zugeschütteten Dock 3, wo am 31.Mai 1911 gut zwei Jahre nach Kiellegung der Luxusliner vom Stapel lief.
Die Warteschlange an der Kasse hält sich heute morgen um zehn sehr in Grenzen, gerade einmal drei weitere Besucher stehen vor uns. Unser Hockeyfreund sollte recht behalten, durch das frühe Erscheinen können wir uns auf den acht Stockwerken mehr oder weniger ungestört über die Entwicklung Belfasts vom armen Bauerndorf hin zu einer der wirtschaftlich mächtigsten Industriestandorte der Welt informieren und bekommen Einblicke in die Entwicklung, die Konzeption und den Bau der Titanic.
Die Ausstellung setzt interessanter Weise nicht auf Effekthascherei und stellt nicht die weltberühmte Schiffskatastrophe in den Vordergrund, sondern die RMS Titanic selber und Geschichten von Bord, sodass die Ausstellung auf eine sehr spannende und super aufbereitete Art und Weise sehr viel hintergründiges Wissen vermittelt. Von daher kann ein Besuch bei einer Belfast-Reise nur wärmstens empfohlen werden.
Gute eineinhalb Stunden verbringen wir in der Ausstellung, die Schlange an der Kasse ist inzwischen auf rund hundert Besucher angewachsen und überall im Foyer wuseln verschiedenste Reisegruppen durch die Gegend. Wir frühstücken eine Quiche im Bistro und gehen anschließend hinüber auf die andere Straßenseite, wo die SS Nomadic, eines der original Zubringerboote zur Titanic, auf dem Trockenen liegt. Eine Besichtigung des Shuttle-Bootes ist im Eintrittspreis inklusive; an Bord bekommt man einen sehr kleinen Eindruck davon, wie pompös die Ausstattung der RMS Titanic gewesen sein muss, handelt es sich bei der SS Nomadic doch lediglich um ein Zubringerboot, auf dem die Passagiere im Regelfall keine zehn Minuten verbrachten.
Wir schlendern entlang der neugebauten Uferpromenade in Richtung Stadtzentrum von Belfast. Gegen 13 Uhr wollen wir uns mit unserem Freund treffen, dann soll es zum gemeinsamen Fußballgucken ins Windsor Park Stadion gehen. Dort spielt der mehrfache und seit dem letzten Spieltag bereits amtierende nordirische Meister Linfield FC um 15 Uhr gegen den derzeit viertplazierten Glenavon FC. Also in etwa Bayern München gegen den Tabellenvierten, vier Spiele vor Saisonende.
Weit kommen wir nicht. Wir haben gerade über das Lagan Weir Stauwehr den Fluss Lagan überquert und damit die Belfaster Innenstadt betreten, als das Telefon klingelt. Wo wir seien, möchte unser Freund wissen. Derzeit stehen wir vor dem Albert Memorial Clock Tower, einem Uhrenturm, der durchaus Ähnlichkeit mit dem Turm des Big Ben in London hat, bloß kleiner und ohne angeschlossenes Parlamentsgebäude.
Wir verabreden uns an einem kleinen Pub, allerdings bleibt keine Zeit für ein Bier, denn unser Freund kommt mit seinem kleinen quietschgelben Auto und kann dort nirgends parken. Also müssen wir uns mit dem Bier bis zum Stadion gedulden.
Unterwegs erfahren wir, in welchen Vierteln die Katholiken hier wohnen und wo die Protestanten. Auch über zwanzig Jahre nach Ende des Nordirlandkonfliktes spielt die Religionszugehörigkeit hier noch immer eine große Rolle und die Menschen vermeiden zu großen Teilen nach wie vor den Kontakt zu Menschen der jeweils anderen Konfession.
Der Linfield FC ist ein traditionell protestantischer Verein und spielt im größten Stadion Nordirlands, dem Windsor Park. Rund 17.000 Zuschauer finden in dem reinen Sitzplatzstadion Platz, in welchem auch die nordirische Nationalmannschaft ihre Spiele austrägt. Unsere Eintrittskarten sollen wir gut wegstecken und niemandem zeigen, bekommen wir gesagt. Und so werden wir mit auf die VIP-Tribüne genommen, auf der unser Freund eine Dauerkarte hat. Von der gemütlichen Bar hat man einen tollen Blick durch die Panoramafenster auf das Spielfeld, alkoholische Getränke darf man auch hier wie überall in Großbritannien nicht mit auf die Ränge nehmen.
Nach ein Wenig Hickhack darum, wo und ob wir irgendwie zu dritt bzw. zu viert zusammensitzen können, hat sich auch hier eine Lösung ergeben. Unsere Plätze wären irgendwo in der Masse des Fanpöbels gewesen, wobei es trotz Sitzplätzen freie Platzwahl gibt. Wäre aber auch nicht schlimm, immerhin wollen gerade einmal rund 3.000 Zuschauer das Spiel des nordirischen Meisters sehen. Schon merkwürdig, wenn da eine Mannschaft wie Bayern München in einem 17.000er-Stadion vor 3.000 Zuschauern spielt und man jedes auf dem Platz gerufene Wort versteht. Dafür ist das Bier mit 4,-£ (ca. 4,50€) für den halben Liter hier im VIP-Bereich selbst für deutsche Verhältnisse angemessen günstig und so verfolgen wir das Spiel irgendwann unerwartet mehr aus der Lounge heraus als von unseren Sitzplätzen. Da stört es auch nicht, dass uns ein älterer Herr im feinen Anzug nahelegt, aufgrund des miserablen Ergebnisses von 0-4 für Glenavon bitte nicht wiederzukommen. Nach dem Spiel findet auf dem Rasen drei Spieltage vor Schluss bereits die Meisterfeier und Pokalübergabe statt, und am Ende haben sich auch bei uns und unserem Sitznachbarn die Wogen wieder geglättet und wir dürften selbstverständlich jeder Zeit wiederkommen.
Nach dem Spiel suchen wir einen Pub bzw. ein Restaurant, wobei bei der Suche auch hier die Religionszugehörigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Bei einem hervorragenden Italiener werden wir fündig, laden unseren Freund zum Essen ein und fahren auf dem Heimweg noch ein paar Umwege, damit wir wenigstens das Stonehenge Belfasts noch einmal zu Gesicht bekommen.
Am Campingplatz trinken wir zusammen ein Bier, bevor wir um 22 Uhr noch zu einem Unterliga-Eishockeyspiel hinüber in die Eishalle gehen. Wir sind ziemlich müde und auch die einzigen Zuschauer, und so verabschieden wir uns nach dem ersten Drittel. Morgen sollen wir den Tag dann unbedingt in Carrickfergus beginnen, unser Freund würde dort auf uns warten und uns eventuell mit seinem eigenen Auto noch ein Stück die Küste hinauf begleiten.
Auf dem Causeway Coastal Drive nach Norden
Sonntag, 21.04.2019
Guten Morgen, Belfast. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und nebenan beim Feuerwehrmann gibt es bereits Kaffee. Dabei dachte ich immer, er sei auch so ein Morgenmuffel wie ich…
Duschen, Kaffee und nichts wie los, heute wartet ein langer Tag auf uns. Eigentlich liegen heute nur gute 150 Kilometer vor uns, Google veranschlagt drei Stunden. Aber ich kenne uns ja, wir brauchen bestimmt einen ganzen Tag…
Um halb elf sind wir schließlich auf der Autobahn, einmal quer durch die 340.000-Einwohner-Stadt. Bis Carrickfergus dauert es ziemlich genau eine halbe Stunde, das kleine, quietschgelbe Auto steht bereits vor der Burg. Die Bullis sollen wir einfach in der Hafeneinfahrt abstellen, da kommt heute sowieso keiner und der eigentliche Parkplatz ist mit einem kleinen Möchtegern-DOM vollgestellt.
Vor der bekannten Burg thront König William der III. in Stein gehauen auf seinem Sockel. Dem ersten Anblick nach handelt es sich zwar eher um den berühmt-berüchtigten Captain Morgan, was unser Hockeyfreund und Herzblut-Nordire wehement verneint. 😉
Nach Burgbesichtigung ist uns heute nicht unbedingt, schließlich gilt es eine Art Tradition zu bewahren, mit der wir letztes Jahr in Schottland begannen. Auf der anderen Seite der Burg wachsen irische Schafspalmen. Wir nennen sie so, weil sie der Schafskälte trotzen und in Irland stehen. Wir sollen im Laufe der Reise auf noch mehr dieser hier vollkommen unerwarteten Bäume treffen.
Wir sollen schon einmal vorfahren, vielleicht würde uns unser Freund etwas später folgen, er sei ohnehin schneller als das Didimobil. Und so setzen wir unsere Reise entlang der Causeway Coastal Route fort. Benannt nach dem berühmten Giant’s Causeway an der Nordspitze Nordirlands verläuft die Causeway Coastal Route von Belfast aus kommend immer entlang des Nordkanals, der engsten Stelle der Irischen See, vorbei am Giant’s Causeway bis in die nordirisch-irische Grenzstadt (London)derry, wo sie nahtlos in den irischen Wild Atlantic Way übergeht.
Nördlich von Larne führt die Straße direkt am Ufer der irischen See entlang. Zusammen mit strahlendem Sonnenschein und ab und an am Straßenrand stehenden Palmen fühlt man sich eher wie am Mittelmeer als wie 250 Kilometer nördlich von Hamburg. Einzig das Fenster öffnen sollte man lieber nicht: Zwar zeigt das Thermometer um die 15°C, jedoch weht noch immer ein ziemlich kalter Wind.
Bei Ballygally gibt es einen kleinen Parkplatz neben der Straße, der nicht durch eine Höhenbegrenzung abgesperrt ist. Hier können wir das erste Mal seit 30 Kilometern anhalten und uns kurz die Beine an der frischen Luft vertreten. Ausser uns sind noch zahlreiche Einheimische hier, einige von ihnen haben Jetskis und aufgeblasene Badeutensilien zum raufsetzen und durchs Wasser gezogen werden dabei. Hätte nicht jeder der Wassersportler einen Neoprenanzug an, könnte man wirklich denken, es sei Hochsommer in Südeuropa.
Während wir pausieren, kommt das kleine, quietschgelbe Auto unseres Freundes vorbei. Früher habe er hier oft geangelt, inzwischen seien aber immer mehr und mehr Menschen und auch Touristen hier unterwegs, und auch er beschwert sich, dass man heute mit dem Auto nirgendwo mehr einfach anhalten könne.
Bevor wir die Tour fortsetzen können, müssen der Feuerwehrmann und Didi noch dringend ihre Scheiben putzen. Innerhalb von wenigen Minuten zerplatzen hier hunderte Insekten, die aussehen wie eine Mischung aus Fliege und Mücke, an den Scheiben und hinterlassen riesige rote Flecken. So ganz geheuer sind uns die Tiere nicht, aber noch scheinen sie niemanden von uns gestochen zu haben…
Das kleine, quietschgelbe Auto ist bereits vorgefahren, als unsere Scheiben endlich wieder sauber sind. Wenige Minuten später holen wir es ein, es wartet auf einem kleinen Seitenstreifen. Wir passieren den kleinen Ort Glenarm, mangels Parkmöglichkeit am Straßenrand fahren wir weiter und erreichen alsbald den pittoresken Hafenort Carnlough. In einer Nebenstraße parken wir die Bullis und gehen zurück zur Hauptstraße. Ein kleines Stück der alten Stadtmauer ist hier noch erhalten, direkt daneben befindet sich der kleine Hafen.
Fun Fact:
Das örtliche Londonderry Arms Hotel wurde im Jahre 1848 von der Urgroßmutter von Winston Churchill erbaut.
An der Hauptstraße finden wir einen kleinen Eisladen, den wir sogleich stürmen. Die Krankenschwester besorgt noch zwei Briefmarken und hofft, Zeit zum Postkartenschreiben zu finden. Auch verabschieden wir uns hier von unserem treuen Reisebegleiter und Eishockeyfreund und setzen unsere Reise gen Norden alleine fort.
In gut drei Stunden müssen wir 50 Kilometer weiter nörlich an der Carrick-A-Rede Ropebridge sein, einer Hängeseilbrücke, die eine vorgelagerte Insel mit dem Festland verbindet. Gestern trafen wir auf dem Campingplatz zwei Deutsche, die Tags zuvor spontan die Brücke erkunden wollten, aufgrund des Besucheransturmes jedoch ohne Vorreservierung abgewiesen wurden. Wir haben daraufhin im Internet rein prophylaktisch Tickets mit einem Zeitfenster von 15.30 Uhr bis 16.30 Uhr reserviert.
Google veranschlagt eine Stunde bis zur Carrick-A-Rede Ropebridge, etwas abseits der Straße soll es im Glenariff Forest Park einen schönen Wasserfall zu bestaunen geben. Der Umweg hält sich in Grenzen, vielleicht 15 Kilometer. Also verlassen wir die Küstenstraße bei Waterfoot und begeben uns hinauf in die Berge. Nach knapp zehn Minuten erreichen wir die Zufahrt zum Glenariff Forest Park, die lange Zufahrtsstraße ist eine einspurige Einbahnstraße und am Ende lauert ein Kassenhäuschen, welches geschlagene 5,-£ Parkgebühren ergaunert.
Wir parken die Autos und finden recht schnell die Ausschilderung zum 3,7 Kilometer langen Wasserfall-Wanderweg. Sollte man in einer guten Stunde schaffen, denken wir, und machen uns mutig auf den Weg, welcher recht schnell verdammt steil abfällt.
Nach fünf Minuten erreichen wir einen kleinen Fluss, hier gibt es sogar schon einen ersten kleinen Wasserfall zu bestaunen. War doch gar nicht so schlimm bisher, und der Wegweiser hat auch nur noch 3,2 Kilometer übrig.
Was wir nicht ahnen ist, dass der Weg nichts von seinem steilen Gefälle einbüßt, und so steigen wir immer tiefer hinab in eine rund 100 Meter tiefe Schlucht. Über Treppen und hölzerne Stege windet sich der Weg hinunter bis zum großen Wasserfall, der eine Fallhöhe von immerhin rund 20 Metern aufweist.
Noch 1,6 Kilometer, sagt das Schild, wir sind bereits eine gute halbe Stunde unterwegs und müssen den ganzen Mist wieder hinauf. :O Dafür gibt es hier unten noch mehr Wasserfälle zu bestaunen, ein ganz klein Wenig ist es hier wie an den Plitvicer Seen. Nur nicht ganz so überlaufen, nicht ganz so groß und nicht ganz so warm. Dafür ist es hier ganz schön steil.
Während des ebenfalls rund halbstündigen Aufstiegs zurück zum Parkplatz trudeln zu allem Überfluss auch noch die heimischen Fußballergebnisse ein. Auch zu Hause hätte ich also eine bittere Niederlage erlebt. Das mindert natürlich die Motivation für die restlichen 800 Meter bergauf ungemein.
Zurück am Auto ist es bereits halb drei, noch eine knappe Stunde bis zur Hängebrücke. Da das Zeitfenster der Tickets jedoch bis 16.30 Uhr reicht sind wir mutig und folgen den Wegweisern zum Torr Head Scenic Drive.
Der Torr Head Scenic Drive ist eine sehr schmale und stellenweise sehr steile Nebenstraße, die sich hoch oben auf den Klippen entlang der Küste des Nordkanals schlängelt. Bei Gegenverkehr muss teilweise trotz Mittellinie etwas rangiert werden, zumal Briten erfahrungsgemäß die Maße ihrer Fahrzeuge überhaupt nicht einschätzen können und auch sonst zu den eher schlechteren Autofahrern auf unserem Kontinent zählen. Die Ausblicke von dieser anspruchsvollen, aber wunderschönen Straße entschädigen dafür für alles.
Am Nordende des Torr Head Scenic Drive kommen wir durch den 5.000-Einwohner-Ort Ballycastle, eine kleine, quirlige Hafenstadt. Das schöne Wetter und der Feiertag locken Menschenmassen hierher, entsprechend chaotisch ist die Verkehrssituation auf der schmalen Hauptstraße. Trotz deutlichen Verbotsschildern blockiert ein Touristenbus die Straße, zehn Minuten sollen wir dadurch für die 500 Meter benötigen.
Zehn Minuten später erreichen wir den Parkplatz an der Carrick-a-Rede Ropebridge, eine nette Parkplatzeinweiserin bedauert, dass heute keine Besichtigung der Brücke mehr möglich sei. Ich erzähle ihr, dass wir gestern bereits online Tickets für 15:30-16:30 gebucht hätten. Das sei eine super Entscheidung gewesen, freut sie sich, die Karten könnten wir drüben am Kassenhäuschen abholen. Mit leichten Wartezeiten sei dennoch zu rechnen. Wie gut, dass wir in Belfast mit den anderen Campern kurz über das Ticketproblem gesprochen hatten…
Am Kartenhäuschen wartet bereits eine gut gelaunte Angestellte, wir bekommen die Karten anstandslos ausgehändigt. Wo wir herkämen, fragt sie, und dass wir aufpassen sollen, es sei heute sehr windig. Als wir erwähnen, dass wir als Hamburger Wind gewohnt sind, bestellt sie scherzhaft eine extra steife Briese für die Brücke. Extra für uns. 😉
Carrick-a-Rede ist der Name einer kleinen Insel im Nordkanal in der Irischen See, nur durch eine rund zwanzig Meter schmale Meerenge vom Festland getrennt. Auf dem Weg zu ihren Laichplätzen schwimmen viele Lachse durch diese kleine Meerenge und sind daher verhältnismäßig leicht zu fangen. Da jedoch gefährliche Strömungen und hoher Seegang ein Befahren des Gewässers um die Insel gefährlich und oftmals unmöglich macht, bauten Fischer bereits vor 350 Jahren eine erste Hängebrücke über die schmale Meerenge.
Die heutige Brücke erfüllt modernste Anforderungen an den Toursimus. In dreißig Metern Höhe überqueren auf der seit 2008 aus Drahtseil und Holzplanken bestehenden Hängebrücke jedes Jahr rund 250.000 Touristen die Meerenge, bei hohem Besucherandrang ist teilweise mit Wartezeiten zu rechnen.
Rund zwei Kilometer nördlich der Carrick-a-Rede Hängebrücke zweigt eine kleine Straße zum Ballintoy Harbour ab. Eigentlich erweckt bloß eine einsame Kirche in schönstem Abendlicht Didis Interesse, das schöne Fotomotiv wird bei genauerem Hinsehen jedoch durch wild parkende Fahrzeuge und wuselnde Menschen leicht getrübt. Da der Wegweiser zu einem Hafen führte und das Meer nicht weit ist, schenken wir der Kirche keine weitere Beachtung und schlängeln uns die schmale Serpentinenstraße hinunter zum kleinen Hafen.
Bereits diese kleine Zufahrtsstraße zum Ballintoy Harbour ist komplett zugeparkt, wir fahren ganz nach unten und finden sogar wider Erwarten zwei Parkplätze. In diesem sehr kleinen Naturhafen gibt es neben einem Bootshaus ein kleines Café und einen großen Touristen-Nepp-Laden, wir fragen uns, was an diesem Ort wohl so Besonderes wäre? Ein Schild am Wasser gibt Aufschluss: Die Bezahlfernsehserie Game of Thrones wurde hier gedreht, ebenso wie an etlichen anderen Orten in Nordirland. Die Popularität dieser seit 2011 ausgestrahlten Serie sorgt seit ein paar Jahren für eine regelrechte Touristenschwemme nicht nur hier, sondern auch an vielen anderen Drehorten der uns allen dreien gänzlich unbekannten Serie.
„Lordsport“ heißt Ballintoy Harbour in Game of Thrones und befindet sich auf den „Iron Islands“, zu deutsch „Herrenhort“ auf den „Eiseninseln“. Wir genießen dieses schöne Fleckchen Realität und vertreten uns kurz die Füße.
Da es bereits 18 Uhr ist beschließen wir, heute nicht mehr zum Giant’s Causeway zu fahren. Stattdessen machen wir noch einen Abstecher zu den Dark Hedges, einer markanten Allee aus über 200 Jahre alten Rotbuchen. Ehemals säumten 150 Rotbuchen die Dark Hedges, die mit ihren ausufernden Baumkronen eine Art Tunnel über der Straße bilden. Heute stehen noch rund 90 dieser mächtigen Bäume entlang der Allee, die jedoch alle bereits mehr als altersschwach sind und vermutlich innerhalb der nächsten zwanzig Jahre auf natürlichem Weg ihre Standfestigkeit verlieren werden.
Im Jahre 2017 wurde ein striktes Durchfahrtverbot durch die Dark Hedges erlassen, nachdem diese ebenfalls durch die Bezahlfernsehserie Games of Thrones als „Königsweg“ (King’s Road) zu weltweiter Berühmtheit gelangte. Ungestörte Bilder ohne Fernsehjunkies aus aller Herren Länder sind seit dem kaum noch möglich.
Laut Google gibt es entlang der nordirischen Nordküste zahlreiche Campingplätze, und so begeben wir uns auf die große Suche. Der erste, sehr abgelegene Campingplatz ist wie erwartet nicht mehr besetzt und macht einen eher tristen Eindruck, auf dem zweiten Platz werden wir zwar misstrauisch aus dem ersten Stock des Besitzerhauses hinter dem Vorhang hervor beäugt, auf unser Klingeln für die Platzanmeldung reagiert hingegen niemand.
Wir fahren weiter Richtung Portrush, einem belebten Ferienort. Hier gibt es zwei Caravan-Parks, doch auf beiden werden wir abgewiesen: Beim ersten gibt es zwar freie Plätze, allerdings fühlt sich abends um 20 Uhr niemand mehr dafür zuständig, die Schranke zu bedienen, obwohl sämtliche Einrichtungen von Supermarkt bis Spaßbad auf dem Platz noch bis mindestens 22 Uhr geöffnet haben, der nächste Platz nimmt ohne Voranmeldung niemanden auf.
Unterwegs kommen wir dafür am mystischen Dunluce Castle vorbei, welches völlig unerwartet nach einer scharfen Linkskurve vor dem Sonnenuntergang am Horizont auftaucht.
In Portrush selber gibt es einen von sehr wenigen ausgewiesenen Wohnmobilstellplätzen, zwar mit Strom, dafür aber ohne sanitäre Einrichtungen. Aber auch hier ist alles voll, selbst die angrenzenden Busparkplätze sind fast restlos durch Wohnmobile belegt. Im Internet finden wir am Ende des Ortes ein Hotel, welches bei Einkehr seinen Parkplatz für 10,-€ pro Wohnmobil zur Übernachtung zur Verfügung stellt. Wir würden gerne noch etwas Umsatz machen, doch leider hat das Restaurant bereits um 20 Uhr den Betrieb eingestellt, und auch die Bar schließt heute bereits um 21 Uhr. Das nordirische Gesetzt möchte das am Ostersonntag so.
Also gibt es auf dem Hotelparkplatz Kartoffelsuppe mit Würstchen mit einem anschließenden lustigen Abend im Didimobil.