Dienstag, 16.04.2019
Um acht Uhr klingelt der Wecker, draußen sind es nur drei Grad und man mag den Bulli gar nicht verlassen, um zur Dusche zu gehen. Immerhin hat der Wind nachgelassen, und auch ein schneller Blick ins Internet verrät: Die Fähre soll planmäßig verkehren.
Das Sanitärhaus ist nicht geheizt, dafür ist die Dusche schön heiß. Der Feuerwehrmann setzt unterdessen einen frischen Kaffee auf, und so können wir pünktlich um neun Richtung Liverpool aufbrechen. 35 Minuten veranschlagt Google, nach einer kurzen Autobahnfahrt erreichen wir den Stadtrand der ehemaligen Industriestadt. Der Niedergang der vergangenen Jahrzehnte ist hier noch immer sehr deutlich zu erkennen.
Bekannt ist Liverpool heute hingegen für die beiden Fußballclubs FC Everton und FC Liverpool, Letztgenannterer trägt seine Heimspiele an der Anfield Road im gleichnamigen Stadtteil aus. Zeit für einen Abstecher, um den beiden Stadien einen Besuch abzustatten, haben wir leider nicht.
Die Fähre zur Isle of Man startet direkt am Ufer des Pier Head, gleich neben den „Three Graces“ genannten UNESCO Weltkulturerbe-Gebäuden Royal Liver Building, Cunard Building und Port of Liverpool Building. Google navigiert uns direkt bis ans Ufer, doch von einem Fährterminal ist weit und breit nichts zu sehen. Nur aus dem Augenwinkel erspäht Didi ein Schild am Ende eines „Parkplatzes“, was an einer Brücke befestigt ist, die das Ufer mit dem vorgelagerten Schwimmponton verbindet: Isle of Man Steam Packet Company steht dort drauf, der Name der weltweit ältesten durchgehend betriebenen Passagierreederei und Betreiber der Fährlinien zur Isle of Man.
Was eher anmutet wie ein gebührenpflichtiger Parkplatz entpuppt sich tatsächlich als Fährterminal, sehr lang dürfen die Fahrzeuge hier nicht sein, ansonsten wird es schwierig mit dem Rangieren.
Die nette Dame am Check-In-Schalter ist ein wenig irritiert ob des Didimobils, da der Bulli ein klassischer Linkslenker ist, und so stellt sie mir sogleich die Frage, warum ich mir um alles in der Welt einen Linkslenker kaufen würde, das sei doch unpraktisch? Während ich hoffe, meine Verrenkungen bei der Kommunikation aus dem Beifahrerfenster mit Ticketübergabe, Passkontrolle etc. werden keine bleibenden Schäden hinterlassen, erkläre ich der Dame freundlich, dass ein Rechtslenker hingegen in Deutschland eher unpraktisch wäre – eben aus Gründen wie dem Momentanen. 😉
Am Ende müssen wir beide lachen, ich renke mich wieder ein und darf mich in die Reihe der wartenden Fahrzeuge einreihen. Direkt neben dem imposanten Royal Liver Building warte ich nun darauf, dass die HSC Manannan, ein Hochgeschwindigkeits-Katamaran, der uns in knapp drei Stunden auf die IOM abgekürzte Insel Isle of Man bringen wird, ankommt. Der Feuerwehrmann parkt kurz darauf hinter mir.
Zur anderen Seite des Didimobils steht eine imposante Säule mit goldnener Fackel auf der Spitze. Sie erinnert an die Opfer der Titanic, welche gestern vor 107 Jahren am Morgen des 15.04.1912 nach der Kollision mit einem Eisberg im Nordatlantik sank und über 1.500 Menschen mit in die Tiefe riss. Obwohl sie in Belfast bei Harland & Wolff gebaut wurde, war Liverpool der Heimathafen der Titanic.
Der Beladungsprozess der HSC Manannan geht relativ schleppend voran, der Katamaran besitzt nur eine Ladeluke für Fahrzeuge im Heck, sodass auf dem Autodeck bereits wild rangiert werden muss, damit alle Fahrzeuge bei der Ankunft wieder vorwärts hinausfahren können.
An Bord gibt es erst einmal ein reichhaltiges Frühstück, und wir finden sogar eine halbwegs gemütliche Sitzecke mit einem kleinen Tisch, um uns die Zeit mit Kartenspielen zu vertreiben. Neben der HSC Manannan besitzt die Isle of Man Steam Packet Company noch eine zweite, reguläre Autofähre, die Ben-My-Chree, die für die Überfahrt jedoch gute viereinhalb Stunden benötigen würde und heute irgendwo anders hinfährt.
Das Wetter wird unterwegs schlechter, es ist diesig und nieselt leicht. Douglas, die Hauptstadt der Isle of Man, erreichen wir dennoch pünktlich, es gibt keinerlei Passkontrollen im Hafen und ehe wir und versehen, sind wir mitten drin in … Ja, wo eigentlich? Wikipedia schreibt über die Isle of Man:
Sie ist als autonomer Kronbesitz (englisch crown dependency) direkt der britischen Krone unterstellt, jedoch weder Teil des Vereinigten Königreichs noch Britisches Überseegebiet. Des Weiteren stellt sie ein gesondertes Rechtssubjekt dar und ist kein Mitglied der Europäischen Union. Die Insel Man ist bekannt als Steueroase und Sitz von Offshoreunternehmen sowie für das Motorradrennen Isle of Man TT.
Demnach sind wir jetzt nicht mehr in Großbritannien, haben aber ebenfalls ganz unbemerkt die EU verlassen. Dennoch schaut uns die Queen (wohlgemerkt „Younger than ever!“) auch vom heimischen Geld aus an, mit Britischen Pfund kann man allerings ebenso gut bezahlen. Das Pfund von der Isle of Man hingegen wird in Großbritannien nicht anerkannt, obwohl es im Wert von 1:1 direkt an das Britische Pfund gekoppelt ist.
Direkt hinter der Ausfahrt des Fährterminals ist ein Parkplatz, wir wollen trotz des Nieselregens ein wenig die Stadt erkunden. Eine Schranke versperrt die Zufahrt, allerdings gibt es nirgends einen Knopf oder einen Münzeinwurf, um diese zu öffnen. Auch nicht auf der rechten Seite. Ich steige aus und schaue mir die knopflose und generell sehr nutzlos erscheinende Säule neben der Schranke an, da spricht mich sofort eine Einheimische an. Ich sei wohl zu schnell an die Schranke herangefahren, ansich werde das Kennzeichen automatisch gelesen und danach die Schranke geöffnet. Aber das hier sei sowieso der teuerste Parkplatz und wir sollten es doch ein paar hundert Meter weiter am Busbahnhof versuchen, da sei das Parken wesentlich günstiger.
Am Busbahnhof sind alle Parkplätze belegt, wir drehen zwei Runden durch die recht bergige Stadt und finden zufällig zwei Parkplätze mit Parkscheibe, müssen also noch nicht einmal etwas fürs Parken bezahlen. Durch die Haupteinkaufsstraße von Douglas gelangen wir zur langgezogenen Promenade, die wie so viele schöne Orte in England als Parkplatz benutzt wird, und wandern hinunter bis kurz vor das Fährterminal. Hier liegt etwas vorgelagert die Insel St. Mary’s Isle, die eine Schutzhütte für Schiffbrüchige beherbergt. Dieser Tower of Refuge wurde im Stile einer mittelalterlichen Burganlage errichtet, gehört der nationalen Seenotrettung und ist dafür gedacht, dass Überlebende eines Schiffbruches dort Unterschlupf finden können, bis Hilfe vom Land aus kommt. Nur bei extremem Niedrigwasser ist die Insel zu Fuß erreichbar, bei Hochwasser und Sturm teilweise mehrere Tage aufgrund der vielen umgebenden Felsen selbst per Boot nicht zu erreichen.
Wir haben einen Campingplatz im kleinen Örtchen Laxey ausmachen können, gute 20 Autominuten von Douglas entfernt. Auf dem Weg kommen wir das erste Mal mit dem weltbekannten Motorradrennen, der Isle of Man Tourist Trophy, kurz TT, in Berührung: Das seit 1907 auf öffentlichen Straßen stattfindende Rundenrennen gilt als das älteste und gleichzeitig gefährlichste Motorradrennen der Welt, bei Durchschnittsgeschwindigkeiten auf dem 60,725km langen Rundkurs auf öffentlichen Straßen von teilweise über 200 km/h liegt der Rundenrekord bei 16:42,778 Minuten, seit 1911 gab es 257 tödliche Unfälle auf dem bergigen Parcours. Der Grand Stand in Douglas mit Rennleitung und Zuschauertribüne bildet den Start und die Zielgerade beim Isle of Man TT. Wir passieren ihn ohne Motorrad auf dem Weg nach Laxey.
Laxey ist ein kleiner Hafen- und ehemaliger Bergbauort mit rund 1.700 Einwohnern und erstreckt sich hufeisenförmig an den Berghängen entlang des gleichnamigen Laxey Flusses. Der kleine Campingplatz liegt mitten in einem Wohngebiet neben der örtlichen Grundschule. Als wir ankommen, sind wir die einzigen Gäste, zwei Arbeiter sind gerade dabei, die Sanitärräume zu reinigen. Ob der Campingplatz geöffnet habe, möchte ich wissen. Klar, hat er, und mir wird sogleich ein Telefon in die Hand gedrückt, damit ich dem Eigentümer erklären kann, dass wir zwei Fahrzeuge und drei Personen sind, zwei Nächte bleiben möchten und gerne Strom hätten. Kein Problem, meint er. Einfach hinstellen, anschließen und irgendwann käme er oder sein Platzwart vorbei, wir sollen uns da keine Sorgen machen.
Wir relaxen ein Stündchen bevor wir uns auf einen kleinen Erkundungsgang durch den interessanten Ort machen. Das Wetter scheint sich inzwischen ausgeregnet zu haben, zumindest ist es seit einer halben Stunde trocken.
Vom Campingplatz finden wir einen kleinen Fußweg hinunter zum Fluss, der sogleich an einem schicken kleinen Wasserfall vorbeikommt. Wir laufen flussaufwärts und gelangen nach kurzer Zeit an einen größeren Platz mit einem imposanten Wasserrad. Laxey ist bekannt für das größte funktionsfähige Wasserrad Europas, das Great Laxey Wheel. Dieses hier nennt sich Lady Evelyn, besser bekannt als Snaefell Wheel, mit einem Durchmesser von 50 Fuß (15,24 Meter), und stammt ursprünglich aus Wales.
Das Great Laxey Wheel befindet sich einige hundert Meter Stromaufwärts und hat einen Durchmesser von 22,1 Meter, wir wollen ihm morgen einen Besuch abstatten. Das Snaefell Wheel gibt auf jeden Fall schon einmal einen Vorgeschmack.
Gleich nebenan entdecken wir die alte Schmiede, The Laxey Blacksmith. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, genauso wie am kleinen Bahnhof nebenan. Laxey liegt an der Manx Electric Railway, einer Schmalspur-Straßenbahn, die den Hauptort Douglas mit dem Küstenstädtchen Ramsey im Norden der Isle of Man verbindet. Gleichzeitig ist der Bahnhof Startpunkt für die Snaefell Mountain Railway, der einzigen Bergbahn auf den Britischen Inseln.
Der Bahnhof besteht aus drei Gleisen, zwei für die Manx Electric Railway und ein etwas breiteres Gleis für die Snaefell Mountain Railway. Zudem gibt es ein kleines Stationsgebäude, auf dem in großen Lettern der Name Laxey prangt, und in dem sich tagsüber ein kleines Café, eine Touristeninformation und ein Fahrkartenschalter befinden.
Inzwischen ist es halb sieben, die Bahnen stellen gegen 17 Uhr bereits ihren Betrieb ein und damit verschwinden auch sämtliche normalerweise den Ort bevölkernden Touristen. Der Pub neben dem Bahnhof bietet kein Essen an, zwei weitere Pubs an der Hauptstraße sind geschlossen. Wir beschliessen daher, zum Hotel in der Nähe des Hafens unweit des Campingplatzes zu laufen und dort etwas zu essen.
Am Hafen gibt es eine kleine Promenade mit ein, zwei Cafés, die bei schönem Wetter ganz bestimmt zum Verweilen und die Seele baumeln lassen einlädt. Auch wenn es trocken geblieben ist, so lockt uns das diesig-graue Wetter heute lieber in ein Gasthaus hinein als uns auf eine der vielen Parkbänke zu setzen.
Im Hotelpub ist nicht viel los, es gibt lediglich zwei verschiedene Sorten ziemlich scharfes, aber dennoch leckeres Curry zu essen und zwei, drei leckere Guinness zur Einstimmung auf den kommenden Irland-Urlaub.
Gegen 23 Uhr gehen wir zurück zum Campingplatz und auch alsbald ins Bett. Morgen wollen wir die Insel erkunden und dem Didimobil eine Werkstatt suchen, doch dazu mehr im nächsten Teil.