Eine neue Alpenquerung
Dienstag, 07.08.2018
Neun Uhr hat sich im Laufe der Reise als ideale Aufstehzeit eingebürgert. Ansich bin ich ja ein Langschläfer, aber da ich mich bereits für heute abend auf ein Bier in Linz verabredet habe, stehe ich gut gelaunt auf, dusche ausgiebig und bezahle meine Übernachtungskosten im jetzt geöffneten Büro.
Um zehn Uhr mache ich mich auf den Weg gen Norden. Über Feldbach und Gleisdorf umfahre ich Graz östlich, um nicht versehentlich wieder vor dem Problem der fast ausschließlichen Mautstrecken zu stehen.
Bei Oberfeistritz unterquert die gut ausgebaute B72 eine Materialseilbahn, mit welcher Talkum vom 1.117 Meter hohen Krughofkogel ins Tal nach Oberfeistritz transportiert wird, wo es bis 2015 auf die schmalspurige, heute fast ausschließlich touristisch genutzte, Feistritztalbahn weiterverladen wurde.
Entlang des Flusses Feistritz führt die nun sehr kurvenreichere B72 Richtung Birkfeld, dem Endpunkt der landschaftlich wunderschön gelegenen Feistritztalbahn. Von Birkfeld aus führt seit den 1980er Jahren ein Radweg weiter auf der ehemaligen Bahntrasse bis nach Ratten.
Über den 1.081m hohen Alpl-Pass quert die auch Weizer Straße genannte B72 die Fischbacher Alpen und endet in Krieglach.
Über Veitsch und den 1.069m hohen Pretalsattel fahre ich weiter in die Alpen hinein. Je weiter ich in die Alpen hineinfahre, desto tiefer hängen die Wolken. Über den 1.254m hohen Steirischen Seeberg-Pass führt die Mariazeller Straße (B20) durch so klingende Orte wie Härtehammer, Gußwerk oder Bohrwerk gen Norden nach Mariazell.
Draußen ist es inzwischen richtig dunkel, ich halte kurz an einer kleinen Tankstelle an, um mir etwas zu Trinken zu holen. Kaum zurück im Bulli fängt ein kurzes, aber kräftiges Alpengewitter an, und zu allem Überfluss führt mich die B71 Zellerrain Straße mitten hinein in die Schlechtwetterzone in den Ybbstaler Alpen.
Das erste Mal auf dieser Tour mache ich die Heizung im Bulli an. Obwohl der Zellerrain-Pass mit seinen 1.121 Metern nicht der Höchste auf meiner Tour ist, sehe ich kurz darauf den Grund für mein Frösteln: Am Straßenrand liegt Schnee! Und das mitten im August. Ich kontaktiere meinen Kumpel in Linz, bei Winterwetter habe ich eher Lust auf Glühwein.
Gegen 15 Uhr erreiche ich die Eisen Straße (B115), die ich von der Hinfahrt bereits kenne. Hier an der Enns ist das Wetter gleich wieder sommerlich-freundlich, die Heizung schalte ich aus und öffne das Fenster. Bei schönstem Sommerwetter setze ich meine Fahrt nach Linz fort, die Enns jetzt immer zu meiner Linken.
Neunzig Minuten später erreiche ich das Donauufer auf der gegenüberliegenden Seite von Ottensheim. Da auf der Nordseite der Donau die Bundesstraße wegen Bauarbeiten gesperrt ist, ist der Andrang an der Ottensheimer Drahtseilbrücke groß. Dennoch kommt das Didimobil mit der nächsten Fahrt mit; mit dem Kapitän gibt es während der kurzen Überfahrt ein nettes Pläuschchen über das Didimobil – er hat zu Hause auch einen T3-Bulli und möchte den nicht missen.
Auf dem Stellplatz in Ottensheim werde ich freudig wiedererkannt. Ich lege mich noch ein Stündchen aufs Ohr und mache mich gegen 18 Uhr mit dem Linienbus auf nach Linz und treffe mich dort mit einem Eishockeykumpel zum Essen und ein oder zwei Bier – natürlich bei sommerlichen Temperaturen im Biergarten.
Zurück nach Deutschland
Mittwoch, 08.08.2018
Achteinhalb Stunden benötige ich mit meinem Alltagsauto für die rund 1.000 Kilometer von Linz nach Hamburg, wenn die Autobahnen frei sind. Das Didimobil kann da nicht mithalten, es benötigt vermutlich die doppelte Zeit.
Ich war heute Nacht der einzige Gast auf dem Wohnmobilstellplatz. Um neun Uhr stehe ich auf und mache mich reisefertig. Das Didimobil muss dringend tanken, und ich möchte dem Sohn noch ein Freistädter Märzen mitbringen, welches mir auf dem Hinweg so gut geschmeckt hat. Leider gibt es das wohl tatsächlich nur im Mühlviertel nördlich der Donau, denn der Supermarkt am anderen Ende der Donaubrücke in Aschach führt es schon nicht mehr.
Die wenig befahrene und gut ausgebaute B130 am rechten Donauufer ist eine wunderbare Alternative zur rund 30 Kilometer längeren, gebührenpflichtigen Autobahn zwischen Linz und Passau. In Engelhartszell wird das Didimobil vollgetankt, die Preise in Österreich sind nach wie vor etwas günstiger als in Deutschland. Die Grenze bei Passau ist wie gewohnt unbewacht und ehe ich mich versehe bin ich wieder in der vielleicht schönsten Grenzstadt der Republik.
Weiter geht die Fahrt über die mir vom Hinweg bekannte B85, einzig der heute recht rege LKW-Verkehr stört selbst den ansich langsamen Bulli etwas.
Von Cham aus fahre ich weiter entlang der B22 Richtung Weiden, eigentlich weiß ich noch gar nicht, wo ich meinen Zwischenstop machen möchte. Auf Hochstahl habe ich heute keine Lust, ich würde gerne etwas weiter Richtung Hamburg kommen. Aus politischen Gründen möchte ich ebenfalls kein Geld in den derzeit sehr fremdenfeindlichen ostdeutschen Bundesländern lassen, weshalb ich mich Richtung Hessen und A7 durchzuschlagen versuche.
Kurz vor der Anschlusstelle mit der A6 ist die B22 wegen Bauarbeiten gesperrt, die Umleitungsausschilderung verläuft sich im Nirgendwo, und so schickt Tante Google mich über kleinste Straßen irgendwie immer parallel zur großen Bundesstraße Richtung Weiden.
Unterwegs passiere ich die Kainzmühle. Die Straße führt mitten durch das alte Sägewerk, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint:
Ich durchquere die Fränkische Schweiz und lasse dieses Mal Hochstahl links liegen. Zwei Stunden später erreiche ich die Ostausläufer der Rhön. Umleitungen aufgrund von Straßensperrungen werden hier mangels ortsfremder Personen gar nicht erst ausgeschildert, und so irre ich eine Zeit lang mehr oder weniger orientierungslos durch das ländlich geprägte Unterfranken.
Unterwegs führen die Straßen entlang malerischer Fachwerkdörfer wie dem Straßendorf Hemmendorf, dessen Ostseite aus einer geschlossenen Scheunenreihe und dessen Westseite aus den dazugehörigen alten Bauernhäusern besteht.
Ein weiteres Dorf mit historischer regionaler Bausubstanz befindet sich einen Ort weiter im bereits im 13. Jahrhundert erstmalig erwähnten Recheldorf.
In einem leicht verfallenen Zustand befindet sich das alte Schloss Gereuth zwei Orte weiter. Vergessen und verwunschen bildet es den Mittelpunkt des kleinen Ortes Gereuth und kommt ebenfalls auf meine To-Do-Liste für eine der nächsten Deutschland-Touren in den Süden.
Eine gute Stunde später erreiche ich Bischofsheim an der Rhön, hier soll es etwas oberhalb an einem Gasthof einen tollen Wohnmobilstellplatz geben. Bis auf über 800m scheuche ich das Didimobil den recht steilen Berg hinauf. Einen Wohnmobilstellplatz gibt es, ein einzelner, etwas merkwürdiger Wohnmobilist mit einem ziemlich verzogenen Hud steht bereits dort, eventuell gehört er auch zum Inventar. Gesprächig ist er nicht gerade; der Gasthof sieht aus, als sei er seit ein paar Jahren geschlossen und auch sonst macht das hier oben keinen einladenden Eindruck.
Meine Stellplatz-App kennt einen weiteren Stellplatz an einem Hotel, ganz oben auf einem Berg mitten im Biosphärenreservat Rhön, allerdings soll es nur vier Stellplätze dort geben. Ich versuche mein Glück und fahre wieder hinunter ins 400 Meter tiefer gelegene Bischofsheim, von wo die landschaftlich reizvolle Hochrhönstraße stetig erneut auf gut 800 Meter ansteigt.
Um kurz nach 18 Uhr komme ich am Wohnmobilstellplatz am Hotel Sennhütte an, es ist tatsächlich noch ein einzelner Stellplatz frei. Das Essen im Restaurant ist vorzüglich, dazu gibt es ein dunkles Bier aus der Region. Satt und zufrieden falle ich heute ins Bett.
Die letzte Etappe
Donnerstag, 09.08.2018
Heute steht die letzte Etappe dieser Sommerreise an. Eine Dusche gibt es hier oben leider nicht, ebensowenig wie eine Toilette, die hat nur während der Öffnungszeiten des Restaurants geöffnet. Gegen acht wache ich auf, und aus oben beschriebenen Gründen mache ich mich sodann auf den Weg nach Hamburg.
Kurz hinter Fladungen überquere ich nun doch versehentlich die Grenze nach Thüringen, aber es scheint die kürzeste Strecke Richtung Hamburg zu sein. Die schlechteste Landstraße Thüringens hatte ich mit zwei Freunden bereits auf der Jungfernfahrt des Didimobils im Jahre 2014 bereist, viel besser sind andere Landstraßen in Thüringen auch nicht unbedingt, wie das Beispiel der L1022 zwischen Springen und Gospenroda verdeutlicht. Hier ist die Landstraße noch ähnlich der Landstraße in Polen mit Kopfsteinpflaster versehen, bei dem mal mehr, mal weniger Steine fehlen.
Gerade die ländlichen Gebiete in den ostdeutschen Bundesländer haben sich ihren Charme vergangener Zeiten erhalten können, und ich fand schon immer, dass dort die schönsten und interessantesten Ecken der Republik liegen. Leider fühle ich mich persönlich mehr als unwohl wenn ich weiß, dass hier teilweise mehr als jeder vierte Bewohner seit Jahren seine Stimme an rechtspopulistische und ausländerfeindliche Parteien vergibt und Hass und menschliche Kälte Fakten verdrängen.
Kurz hinter Berka/Werra unterquere ich die A4 und erreiche endlich Hessen, weit ist es nicht mehr bis nach Eschwege, wo ich auf die B27 bzw. die Umfahrung der Kassler Berge treffe. In Eschwege wird das Didimobil noch einmal vollgetankt, bei Göttingen geht es dann auf die Autobahn Richtung Hamburg. Mit einem Zwischenstopp bei Bratwurst Leinemann am Autohof in Alfeld geht es zügig weiter über Braunschweig und die B4, da auf der A7 zwischen Hannover und Hamburg eine Großbaustelle ist und sich der Verkehr mal wieder über zig Kilometer staut. Um 15.07 Uhr überquere ich die Elbe bei Geesthacht, zwanzig Minuten später bin ich nach knapp 6.500 Kilometern und 25 Tagen gegen 15.30 Uhr wieder zu Hause.
Die Temperatur in Hamburg liegt bei angenehmen 25°C, die Hitzewelle scheint vorbei zu sein. Am Abend treffe ich mich mit einer Freundin auf ein Gläschen Wein in Hamburg-Bergedorf, wo mich endlich das lang vermisste Hamburger Wetter mit einem sintflutartigen Wolkenbruch zurück zu Hause begrüßt. 😉