Vom Kloster ins Paradies
Dienstag, 31.07.2018
Huch, es ist ja bereits halb zehn, und erst jetzt bruzzelt mich die Sonne aus dem Bett? Dabei habe ich doch heute ein straffes Programm vor mir… :O
Na gut, also schnell zur Dusche und fertig machen für den Touristentrip zu den weltbekannten Meteora-Klöstern. 1.760 Kilometer Luftlinie trennen das Didimobil von seiner Heimat, so weit wie heute war es – zumindest zusammen mit seinem Besitzer Didi – noch nie von zu Hause entfernt. Auf der Straße entspräche dies rund 2.500 Kilometern.
Direkt am Campingplatz beginnt die kurvenreiche Straße, über die sich alle sechs von ehemals bis zu 24 Klöstern bequem per PKW erreichen lassen. Die Straße windet sich zwischen den imposanten Sandteinfelsen entlang, die wie Finger aus der Landschaft aufragen. Und dann erscheint plötzlich wie aus dem Nichts das erste Kloster auf der Spitze eines der „Finger“. Selbst ohne die Klöster des UNESCO-Weltkulturerbes Meteora eine Wahnsinnskulisse, doch die jahrhunderte alten Gemäuer ganz oben auf den senkrechten Felsen verschlagen einem die Sprache.
Ganz langsam tastet sich das Didimobil um jede Kurve, trotz Touristenattraktion erlaubt der geringe Verkehr ein häufiges Anhalten zwecks Fotostop. Gelesen hat man immer wieder mal über die beeindruckenden Klosteranlagen, und auch Fotos hat man schon oft gesehen. In Natura ist diese surreale Landschaft einfach nur überwältigend.
Ich komme an eine Gabelung. Linker Hand sind die beiden größten Klöster Meteoras auf der anderen Seite einer Schlucht zu erkennen, mehrere Reisebusse parken bereits davor. Ich entscheide mich, erst einmal nach rechts zu fahren, wo ich nach einigen hundert Metern auf einen kleinen Parkplatz treffe. Ein kleiner Pfad führt auf einen der exponierten Felsen, von dem man einen herrlichen Rund- und Weitblich über die Felsnadeln, Klöster und die Ebene von Thessalien hat.
Die sechs verbliebenen Klöster sind diejenigen, die am leichtesten zugänglich sind. Alle anderen sind im Laufe der Jahrhunderte aufgegeben worden, da die Zuwegung – teilweise nur mit Bergsteigerausrüstung – auch für religiöse Verhältnisse irgendwann nicht mehr zeitgemäß war. Es soll noch einige Ruinen und Überreste einiger anderer Klöster geben, jedoch sind diese wie erwähnt im Regelfall nur mit professioneller Kletterausrüstung erreichbar.
Ich fahre weiter, zwei Klöster sind auf der Übersichtskarte vom Campingplatz entlang der Straße noch eingezeichnet. Das Kloster Agía Triáda (Ιερά Μονή Μονή Αγίας Τριάδος, Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit) und das Kloster Agíos Stephános (Μονή Αγίου Στεφάνου). Ersteres thront majestätisch auf einer sehr schmalen Felsnadel, durch eine tiefe Schlucht vom Rest der Welt getrennt. Von der Straße aus hat man einen atemberaubenden Blick zwischen dem Kloster und dem gegenüberliegenden Felsen hindurch auf den 300 Meter tiefer gelegenen Ort Kalambaka.
Ich überlege, ob ich das Kloster Agía Triáda besichtigen soll. Die Lage reizt mich schon, allerdings sind es inzwischen gute 30° im Schatten, die steilen, in den Fels gehauenen Steintreppen sind übersäht mit Touristen und ich kann nicht einschätzen, wie weit man erst einmal hinabsteigen muss, um überhaupt auf die Treppe der Felsnadel zu gelangen.
Ich fahre noch ein Stückchen weiter, am Ende der Straße befindet sich das Kloster Agíos Stephános. Es ist das am einfachsten zu erreichende der sechs Klöster, dementsprechend voll ist es auch hier und Unmengen an Reisebussen spucken eine Rentnergruppe nach der Nächsten aus. Inzwischen ist es elf Uhr, und es kommen weitere Reisebusse die Straße hinauf. Ich fahre wieder zurück und versuche mein Glück an den beiden großen Klöstern auf der anderen Seite einer kleinen Schlucht.
Auch hier am Kloster Varlaám ist es ziemlich voll, das große Kloster Metamórphosis/Megálo Meteóro hat heute geschlossen. Ich erkunde ein wenig die Umgebung und finde einen schönen Fotostandpunkt. Hier komme ich noch mit zwei älteren Deutschen ins Gespräch: Im Sommer sei eigentlich am Wenigsten hier los, die meisten Besucher kommen im Herbst und Winter und dann gezielt als Pilgerreise, erzählen sie mir. Und abends, da sei es am Schönsten. Da sind nur noch wenige Tages-Pauschaltouristen hier und man hat einen herrlichen Blick auf den Sonnenuntergang. Ich glaube, ich muss hier noch einmal wiederkommen.
Die sechs noch vorhandenen Klöster sind allesamt noch bewohnt und für 3,-€ zu besichtigen, wobei jeden Tag ein anderes Kloster geschlossen bleibt. Heute ist es das Kloster Metamórphosis/Megálo Meteóro. Ich mache mich langsam auf den Rückweg, möchte aber doch noch einen Stop an dem eher kleinen Kloster Rousánou (Ιερά Μονή Ρουσσάνου) einlegen. So ganz ohne Besichtigung möchte ich Meteora nun auch nicht verlassen, zumal ich extra eine lange Hose angezogen habe.
Gefühlte einhundertdrölfzig Stufen klettere ich empor zum Eingang, eine Ordensschwester nimmt mir am Eingang drei Euro ab. Das Kloster ist tatsächlich klein, die Kapelle im Inneren sehr düster gehalten und alle dort anwesenden geistlichen Frauen machen einen sehr grimmigen Eindruck. Kein Wunder, ist es doch auch mehr als überlaufen, und kaum einer hält sich an das überall ausgeschilderte Fotografierverbot oder unterhält sich in einer Lautstärke, als sei man in einer Kneipe. Ich bin kein gläubiger oder religiöser Mensch, aber wenn man schon ein religiöses Heiligtum besucht, sollte man sich auch entsprechend respektvoll verhalten.
Abschließend bleibt für mich festzustellen, dass der Anblick des gesamten UNESCO-Welterbe-Ensembles einem die Sprache verschlägt, die Grandiosität kommt auf Fotos nicht ansatzweise zur Geltung. Auf einen Besuch im Inneren kann ich beim nächsten Mal aufgrund der vielen doch recht respektlosen Touristen vermutlich verzichten, das ist einfach nur zum Fremdschämen. Oder man kommt abseits der Hochsaison noch einmal wieder, oder früh morgens oder spät abends.
Der Eilbeker hat Wind davon bekommen, dass ich gerade in Meteora bin und gibt mir als Tip, auf dem Rückweg noch an dem kleinen Fischerort Párga (Πάργα) einen kurzen Stop einzulegen. In einer kleinen Taverne auf dem Weg zur Autobahn genehmige ich mir noch einen leckeren Café Frappé, bevor ich entgegen meiner Reisevorsätze erneut die mautpflichtige Autobahn gen Süden ansteuere.
Mitten in einem von unzähligen langen Tunneln auf der Autobahn hat das Didimobil ein ganz besonderes Jubiläum: Die 333.333-Kilometer-Marke ist geknackt. Zur Feier des Tages geht es von nun an bis Párga fast nur noch bergab. Gute drei Stunden benötigt das Didimobil für die 200 Kilometer von den Meteora-Klöstern nach Párga, zwei Mautstellen liegen auf dem Weg, an denen das Didimobil jedes Mal nachgemessen wird (ja, exakt 2,70m hoch und damit noch PKW-Tarif) und zwischen 2,30€ und 2,70€ bezahlen muss. Für die Massen an Kunstbauten entlang der Strecke noch immer ein fairer Preis.
In Párga finde ich auf Anhieb einen Parkplatz, was durchaus mehr Glück als Verstand zu sein scheint. Ein quirliger Touristenort, der hauptsächlich von Tagestouristen von den umliegenden Inseln Korfu und Paxi überlaufen werden soll. Der erste Eindruck von etwas oberhalb der Bucht ist durchaus sehenswert, und so schlendere ich hinein in die kleinen Gassen des 2.500-Einwohner-Ortes, vorbei an jeder Menge Touristenläden, Bars, Cafés und Tavernen.
An der kleinen Promenade reiht sich ein Restaurant an das Nächste, Betrieb ist hier allerdings eher wenig. Die Tagestouristen scheinen bereits wieder auf dem Rückweg zu sein, und so lasse ich mir entspannt eine leichte Brise vom Meer her um die Nase wehen.
An einer kleinen Mole liegen kleine Ausflugsboote und warten auf Touristen für eine überteuerte Rundfahrt, angesprochen wird man hier jedoch nicht, was ich als sehr angenehm empfinde. Vielleicht liegt es aber auch an der Tageszeit, dass die Hauptkundschaft der Tagestouristen bereits wieder auf dem Heimweg ist.
Im kleinen Hafenbecken dümpelt ebenfalls ein knallrotes U-Boot vor sich hin, vermutlich ein Touristenboot mit großen Bullaugen, um das herrliche Blau des Mittelmeeres auch einmal von der Unterseite sehen zu können.
Irgendwie habe ich schon den ganzen Tag Appetit auf Dolmadakia oder auch Dolmades, gefüllte Weinblätter mit Tsatsiki. Schön leicht bei der Wärme und für mich typisch griechisch (zumindest, weil es das zu Hause beim Griechen immer gibt…). Die hiesigen Restaurants sind jedoch eher auf den typischen Pauschaltouristen aus, und so klappere ich mehrere Restaurants ab, bevor statt Schnitzel mit Pommes oder Spaghetti Napoletana endlich auch einmal etwas typisch(?) Griechisches auf einer Karte erscheint. Viel los ist nicht, die Dolmades sind nicht gerade die Leckersten, Tsatsiki kostet extra und inklusive eines großen Orangensaftes zahle ich stattliche 16,-€.
Einhundert Kilometer sind es noch bis Sarandë, Google veranschlagt zwei Stunden dafür, um 20 Uhr wird es dunkel. Da ich mit der Grenze nach Griechenland auch die Zeitzone gewechselt habe, wäre es jetzt nach Mitteleuropäischer Zeitzone erst 15.30Uhr, also viel Zeit, um den Rückweg gemütlich anzugehen.
Ich komme durch Igoumenitsa, viele deutsche Autos sind hier anzutreffen. Warten vermutlich alle auf die Fähre nach Süditalien. Ich verstehe nicht, warum man mit dem Auto erst nach Süditalien fährt, um dann noch Geld für die Fähre nach Griechenland zu bezahlen, wenn es auf dem kompletten Landweg in etwa gleich viele Kilometer zu fahren sind. Naja, deutsche Logik halt.
Die Grenzkontrollen laufen auch hier an der EU-Aussengrenze gewohnt unspektakulär ab, in weniger als zehn Minuten bin ich zurück in Albanien und damit zwar ausserhalb der EU, aber wieder in der gewohnten Zeitzone. An einem kleinen Verkaufswagen gönne ich mir ein kaltes Ivi und setze die Fahrt auf hervorragend ausgebauten Straßen nach Sarandë fort.
Der Campingplatz in Sarandë soll ganz nett sein, liegt aber etwas abseits des Stadtzentrums. Auf Google finde ich einen kleinen Campingplatz direkt am Meer, laut Beschreibung allerdings nicht mit Wohnmobilen anfahrbar. Klingt verlockend und ist nur eine halbe Stunde weiter nördlich.
In Lukova lotst mich die Google-Tante von der Hauptstraße, welche hier weit oberhalb des Meeres am Berg entlangführt, herunter. Zwei Kilometer noch, sagt sie. Die Straße ist sehr steil, doch asphaltiert. Dies soll sich an der nächsten Kreuzung ändern. Ein Wegweiser zum Campingplatz bestätigt, dass ich noch richtig bin, doch ab hier geht es über eine sehr enge, einspurige Piste weiter steil nach unten.
Zwanzig Minuten benötigt das Didimobil für die gut zwei Kilometer, ein „richtiges“ Wohnmobil würde es tatsächlich nicht schaffen, hier unten hinzukommen. Die Kurven sind teilweise so eng, dass das Didimobil nur mit Mühe und Not in einem Zug herumkommt, und das auch nur knapp ohne umzukippen. Als ich auf dem wahnsinnig engen Platz, der eher wie ein Parkplatz anmutet, ankomme, scheinen alle Plätze belegt zu sein. Der freundliche Betreiber kommt sofort, dort neben dem Österreicher könnte man noch rückwärts einparken. Er weist mich ein, bis ich fast mit den Hinterrädern über einem kleinen Abgrund hänge. Stühle rausstellen würde jetzt eng werden, aber ich kann dort die Nacht über stehen.
Der Platz selber entschädigt dafür für alles. Für keinen Strom und kalte Duschen. Es ist das Paradies pur, unbeschreiblich. Direkt am menschenleeren Kiesstrand, mit einer Beachbar und einem Ambiente wie aus dem Reisekatalog für die Südsee. Einer der Momente, wo man ein wenig wehmütig ist, allein zu reisen, denn in der Heimat wird einem das niemand glauben.
An der Bar gibt es kühle Getränke, Essen kann man von einem Restaurant oben in Lukova bestellen. 5,-€ für eine Riesenportion Spaghetti Bolognese inklusive Lieferung, und sie sind sogar noch heiß, als sie ankommen. Kein Vergleich zu der griechischen Touristenabzocke vorhin.
Für den Rest des Abends heisst es jetzt nur noch abschalten und die Seele baumeln lassen. Gute Nacht aus dem Paradies. ♥