Einfach mal nichts tun
Montag, 23.07.2018
Wie ich bereits im vorherigen Teil anmerkte, hat die Handbremse des Didimobils den Geist aufgegeben, und die normale Bremse hat seit der letzten Erneuerung im April nicht mehr die gewohnte Kraft und quietscht ganz schön. Bereits gestern abend schrieb ich daher einen Bekannten aus Theth an, ob er einen Mechaniker in der Nähe von Shkodër kenne bzw. empfehlen könne. Klar kenne er einen, ich solle um elf Uhr dort sein.
So stellte ich mir den Wecker auf 9.30 Uhr heute morgen. Im Vergleich zum letzten Mal habe ich recht gut geschlafen, und gefühlt war es über Nacht auch etwas kühler als das letzte Mal. Ich mache mich fertig und genehmige mir im neuen Bistro-Bereich des Campingplatzes einen dieser leckeren kleinen Kaffees mit viel Zucker und eine Ivi-Brause mit Pfirsichgeschmack. Um 10.30 Uhr mache ich mich auf den Weg, einmal quer durch die Stadt.
Ich bleibe natürlich im kompletten Verkehrschaos stecken; immerhin bewegt sich die Blechlawine im Schrittempo. In Deutschland ginge hier bereits gar nichts mehr. Den Kreisverkehr des Grauens meistere ich mit Bravour und schreibe meinem Bekannten, dass ich mich etwa zehn Minuten verspäten werde.
Ich finde die Werkstatt, die auf albanisch Auto Servis heißt. So heißen hier alle Werkstätten und ich spreche die beiden anwesenden, etwas ratlos schauenden Mitarbeiter an. Sie sprechen nur albanisch und ich bin mir nicht sicher, ob sie meinen Bekannten tatsächlich kennen würden. Dennoch schaffe ich es, mit Händen und Füßen mein Problem zu schildern.
Während draußen langsam ein fieses Gewitter aufzieht, fahre ich das Didimobil in die Werkstatthalle. Die Beiden Mitarbeiter wirken ein wenig planlos, sie klopfen mal hier und mal da gegen die Reifen des Didimobils und versuchen schließlich, die Bremstrommel zu lösen, woran sie jedoch scheitern. Irgendwann bekomme ich ein Telefon in die Hand gedrückt. Am anderen Ende ist einer, der recht gut deutsch spricht. Ich erkläre das Problem; um zwölf käme der Mechaniker und würde sich der Bremse annehmen. In der Zwischenzeit gebe ich eine Runde Fritz Kola aus.
Gegen 13 Uhr erscheint der Mechaniker, er kennt meinen Bekannten aus Theth und weiß Bescheid. Die anderen Beiden scheinen seine Lehrlinge zu sein. Das Didimobil kommt auf die Hebebühne, der Mechaniker scheint sich sehr sich sehr sicher zu sein in dem, was er in Windeseile macht. Rad runter, ein wenig rumschrauben, hier und da etwas mit dem Hammer gegenklopfen, noch einmal etwas schrauben, Rad wieder rauf, Bremse testen, fertig. Es hat keine zwanzig Minuten gedauert, das Gewitter zog inzwischen an uns vorbei und hat dafür die nicht einmal zehn Kilometer entfernte Stadt Shkodër knietief unter Wasser gesetzt. Zwanzig Euro möchte der Mechaniker haben, die Handbremse lässt sich kaum noch drei Rasten anziehen, dann ist sie fest und selbst die normale Bremse brauche ich nur noch antippen und das Didimobil steht – ohne Quietschen. So gut waren die Bremsen noch nie.
Ich fahre zurück zum Campingplatz, wo es noch immer regnet, und mache einen kleinen Mittagsschlaf. Einfach mal einen Tag nichts tun ist auch mal ganz angenehm. Am Abend esse ich noch eine leckere Lasagne im tollen Restaurant nebenan und genehmige mir zwei, drei Bier auf dem Campingplatz, wo ich mit einem netten holländischen Paar in Kontakt komme. Sie sind das erste Mal in Albanien, genauso begeistert, wie ich es beim ersten Mal war und dankbar für einige Tips für Ausflüge und Orte, die sie auf keinen Fall verpassen dürfen.
Lagunen und Meer
Dienstag, 24.07.2018
Mein Bekannter aus Theth, von dem ich die Empfehlung für die Werkstatt hatte, musste gestern kurzfristig nach Tirana. Ich möchte ihn trotzdem auf meiner Reise besuchen, allerdings hängen die Wolken heute morgen nach wie vor tief in den Bergen. Daher verschiebe meinen Besuch auf den Rückweg in der Hoffnung auf etwas besseres Wetter. Ausserdem warten Freunde aus Tirana auf mich, am Donnerstag wollen sie selber in Urlaub nach Sarandë fahren und würden sich freuen, wenn ich vorher noch vorbeikäme.
Um halb zwölf verlasse ich den schönen Campingplatz Legjenda unterhalb der Burg in Shkodër und mache mich auf den Weg in die nur rund 100 Kilometer entfernte Hauptstadt. In Lezhë, der nächstgrößeren Stadt auf dem Weg nach Tirana, suche ich mir einen Geldautomaten. Seit zwei Tagen bin ich jetzt in Albanien, habe aber noch keinen einzigen Cent in der einheimischen Währung Lekë. Ich finde einen Parkplatz direkt vor der „Tirana Bank“, ein Sicherheitsmitarbeiter deutet mir, der Parkplatz sei nur für Bankkunden. Ich mache ihm klar, dass ich kurz zum Geldautomaten wolle und alles ist gut.
Der Geldautomat erweist sich leider als recht widerspenstig, die EC-Karte schmeckt ihm nicht, und auch bei der Kreditkarte spuckt der Bildschirm nach Eingabe der PIN einfach nur einen schwarzen Bildschirm mit einer beliebigen Zahl aus, ohne dass man irgendwie weiter kommt. Ich gehe in die Bank, die Dame am Schalter spricht ein wenig Englisch. Ja, ich könne Geld tauschen, aber es wäre einfacher, einfach zum Geldautomaten draussen zu gehen. Ich erkläre ihr, dass dieser mich nicht mag, woraufhin sie mitkommt und den gesamten Abhebevorgang auf albanisch vornimmt. Jetzt funktioniert es, sie fragt mich mehrmals, ob ich tatsächlich Lekë abheben möchte, da der Automat keine Euro habe. Dabei ist der Lek im Vergleich zum Euro vor zwei Jahren im Wert gestiegen (oder der Euro hat an Wert verloren), jedenfalls erhalte ich derzeit 125 Lekë für einen Euro, 2016 waren es noch 136 Lekë.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei der netten Bankangestellten und nehme meine sechs 5.000-Lekë-Scheine entgegen. 40,-€ entspricht ein Schein, ein Kaffee kostet in Albanien 50 Lekë, ein Mittagessen um die 500.
Es ist noch früh, ich habe mich für etwa 19 Uhr bei meinen Freunden in Kashar, einem Vorort von Tirana, angemeldet. Ganz in der Nähe von Lezhë liegt der Hafen- und Badeort Shëngjin. Ich erkunde den südlichen Abschnitt des langen, allerdings dunklen Sandstrandes hin zu den Lagunen am Flussdelta des Drin. Obwohl dieses als Naturreservat geschützt ist, treffe ich das erste Mal auf auffällig viel Müll in der Gegend.
Je weiter gen Ende der Straße man kommt, desto weniger Gebäude säumen die Straße. Dennoch warten zahllose kleine Strandbars und Sonnenliegen und Schirme auf nicht vorhandene Urlauber. Ich bin kein Strandmensch, und mir sagt der dunkle Sand nicht wirklich zu, aber neben den großen, durch einheimische Urlauber gut belegten Hauptstränden im Norden finden sich im Süden noch Strandabschnitte, an denen man ganz allein baden kann, ohne auf ein Mindestmaß an Infrastruktur verzichten zu müssen.
Es gibt nur eine langgezogene Sackgasse, die die Küste entlang führt. Bereits auf dem Hinweg fiel mir eine kleine Strandbar ins Auge, hier würde ich gerne einen Kaffee trinken. Auf dem Rückweg halte ich an, ich parke das Didimobil direkt am Strand unter schattenspendenden Pinienbäumen. Zwei Einheimische sitzen bereits in der Bar, die ausgelegt ist für gut 50 Gäste. In Euro kann man hier (noch?) nicht bezahlen, und den 5.000er kann niemand wechseln. 40,-€, soviel Wechselgeld haben sie nicht. Ich muss unverrichteter Dinge wieder abreisen; hätte ich doch vor der Fahrt daran gedacht, das restliche Klimpergeld vom letzten Jahr zu Hause zu suchen…
An den neu gebauten Hotels und Ferienwohnungen am Stadtrand von Shëngjin ist bereits reges Treiben am Strand auszumachen. Hier wäre es mir zu eng, zu wuselig, obwohl die Menschen und auch die Kinder sich alle sehr gesittet und wohlerzogen verhalten. Ganz anders als man es oft aus Italien oder Spanien kennt und erst recht von deutschen oder sonstigen Pauschaltouristen.
Ich fahre weiter und entdecke einen Hinweis auf die Lagune von Patokut. Eine asphaltierte Straße führt von der Schnellstraße SH1 aus in knapp zehn Kilometern zur Lagune, die über einen kleinen Damm erreichbar ist. Hier reihen sich malerisch etliche Fischrestaurants aneinander, die mit ihren Pfahlhäusern auf dem Wasser einen Hauch von Polynesien aufkommen lassen. Zum Glück mag ich keinen Fisch, sonst würde ich mich jetzt ganz sicher wieder über die 5.000er ärgern. 😉
Ich fahre zurück zur SH1, die in diesem Bereich bereits als Autobahn A1 ausgebaut ist. Auch das Autobahnkreuz bei Milot ist inzwischen fertiggsetellt und ersetzt den alten Kreisverkehr, der noch vor zwei Jahren zu erheblichen Zeitverlusten auf dieser wichtigen und viel befahrenen Nord-Süd-Route geführt hatte. Unterwegs entdecke ich einen weiteren Wegweiser zum Cap Rodon. Ich fahre spontan von der Autobahn ab und lande auf einer der zahlreichen unbefestigten Straßen Albaniens. Ich frage Google um Rat, 1,5 Stunden für knapp 40 Kilometer schlägt die Tante vor.
Nach zwei Kilometern komme ich an einen Bahnübergang; irgendwie wäre es cool, hier ein Foto vom Didimobil mit der berüchtigten albanischen Eisenbahn zu machen. In dem Moment kommen zwei Einheimische über die Bahngleise gewandert und beäugen das Didimobil interessiert. Wir kommen ins Gespräch und ich frage, ob hier überhaupt ein Zug fahre. Ja, sagen sie, der müsse sogar gleich kommen. Wir unterhalten uns per Google Übersetzer, was mehr oder weniger gut funktioniert. Ich solle aber fünf Minuten warten, der Sohn des Einen spreche deutsch und der wolle gleich vorbeikommen.
Der Zug kommt natürlich nicht, dafür kommt irgendwann der jüngere Sohn dazu und wir unterhalten uns angeregt mit Händen und Füßen und vernichten die restlichen kühlen Getränke aus dem Didimobil, was in einer Einladung auf einen Kaffee endet. Er wohne gleich da drüben, sagt der Vater, und so fahren wir gemeinsam mit seinem Kollegen zu seinem kleinen Haus um die Ecke. Es gibt Kaffee und den obligatorischen Raki, wobei selbst „sehr klein“ bei diesem allgegenwärtigen Getränk noch ganz schön groß ist… Irgendwann kommt sein älterer Sohn dann dazu, er hat in der Schule deutsch gelernt und freut sich, die Sprache einmal anwenden zu können.
Nach zwei Stunden verabschiede ich mich etwas wehmütig von den Vieren, das Kap Rodon werde ich dieses Jahr nicht mehr aufsuchen, dafür ist es inzwischen zu spät. Gegen 18 Uhr erreiche ich die Bar meines Freundes neben dem Einkaufszentrum in Kashar. Inzwischen wurde nebenan übrigens der erste Wasserpark Albaniens eingeweiht.
Ich bleibe auf einen Kaffee und ein Ivi, schließlich möchte ich das Didimobil noch auf den Campingplatz bringen. Ein Freund der Familie wird mich am Abend dort abholen und wir werden in den Nachbarort fahren, um einen geselligen Abend bei Bier und Raki zu verbringen.