Goodbye Schottland
Donnerstag, 19.04.2018
Der Wecker klingelt heute bereits um acht Uhr, morgen Abend müssen wir in Harwich sein. Gute 700 Kilometer, und wir wollen noch die Stadt Stirling erkunden und zum Falkirk Wheel. Und eigentlich auch noch nach Edinburgh.
Das Wetter sieht nicht wirklich vielversprechen aus heute morgen, aber immerhin ist es trocken. Wir kämpfen ein wenig mit der sehr eigenwilligen Duscharmatur und machen uns um neun Uhr auf den Weg in die Stadt nach Stirling.
Stirling ist bekannt für das Wallace Monument, einen 67 Meter hohen Turm, der 1869 zum Gedenken an den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace auf einem Hügel am Stadtrand errichtet wurde. Der 1995 erschienene Spielfilm Braveheart mit Mel Gibson basiert auf der Geschichte von Wallace und der Schlacht von Stirling Bridge und verhalf dem somit dem Ort zu internationaler Bekanntheit.
Weitere touristische Anziehungspunkte sind die gut erhaltene Altstadt und die über der Stadt thronende Burg. Wir parken die Autos in der Baker Street; Sherlock Holmes suchen wir allerdings vergeblich, sind wir dafür doch in der falschen Stadt. Für 2,-£ können wir hier eine Stunde parken, die Burg ist laut Stadtplan nur fünf Minuten zu Fuß entfernt.
Vorbei an der Jugendherberge, die sich in einer ehemaligen Kirche befindet und am alten Gefängnis, in welchem es eine Ausstellung zum britischen Strafwesen zu sehen gibt, gelangen wir zur Church of the Holy Rude, einem imposanten Kirchengebäude aus dem 15. Jahrhundert mit imposantem Friedhof.
Das alles überthronende Stirling Castle beäugen wir lediglich von aussen, zu groß ist es, als dass unsere Zeit dafür reichen würde. Außerdem wäre das gegen unsere inoffiziellen Prinzipien dieser Reise, kein einziges Castle von innen zu besichtigen.
Wir reizen die Stunde Parkzeit komplett aus. Als wir wieder zu unseren Autos kommen, sitzt ein Handwerkergeselle auf einer Stufe eines Hauseingangs und fegt lustlos mit einer Art großen Pinsel Staub von links nach rechts. Das wäre nicht weiter ungewöhnlich, wenn nicht derselbe Geselle bereits mit der selben sinnlosen Arbeit besfchäftigt gewesen wäre, als wie vor einer Stunde ankamen. Seine Arbeitsanweisung wird definitiv anders lauten.
Unser nächstes Ziel ist das Falkirk Wheel, eine einzigartige, runde Schiffshebeanlage. Irgendwo beim Verlassen von Stirling verlieren wir den Eilbeker, können ihn aber zum Glück telefonisch erreichen. Wo genau er steht und wo wir uns gerade befinden, vermögen wir nicht zu sagen. Am Falkirk Wheel treffen wir uns schließlich wieder.
Durch seine Drehkonstruktion ist das Falkirk Wheel äußerst energiearm, da es fast ausschließlich mit dem Eigengewicht des Wassers betrieben werden kann. Lediglich einen Initialimpuls benötigt es, dann werden die Boote in den Kammern entgegen des Uhrzeigersinns entweder zum Kanal nach oben rotiert oder eben zum kleinen Becken am unteren Ende des Forth and Clyde Kanals.
Eine Dreiviertelstunde verbringen wir an diesem interessanten Ort bevor wir weiter nach South Queensferry, dem südlichen Ort an der Firth of Forth Bridge. Das imposante und berühmte Bauwerk aus dem Jahre 1890 führt eine wichtige Eisenbahnlinie von Edinburgh nach Norden über den Meeresarm Firth of Forth.
South Queensferry ist nach der über Jahrhunderte alten Fährverbindung über den Firth of Forth, die Queen Margaret bereits im 11. Jahrhundert einweihte, benannt. Der Anleger auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich dementsprechend in dem kleinen Örtchen North Queensferry. Der Ort selber besticht durch eine hübsche kleine Hauptstraße entlang des Ufers des Firth of Forth mit zahlreichen kleinen Geschäften und Restaurants.
Wir durchqueren den Ort und finden nach etwas Suche einen Parkplatz auf dem großen, kostenlosen Besucherparkplatz unter der Forth Eisenbahnbrücke. Anfangs wirkt die 2.523 Meter lange Brücke mit einer lichten Durchfahrtshöhe von 46 Metern gar nicht so enorm, wie man es von Fotos und Videos kennt. Erst als einer der hier sehr häufig verkehrenden Züge über die Brücke fährt bekommt man eine echte Vorstellung von den Dimensionen der seit 2015 zum UNESCO Weltkulturerbe gehörenden Stahlkonstruktion.
Wir vertreten uns ein wenig die Füße und schlendern noch einmal die Hauptstraße zurück. An einigen Stellen hat man durch Lücken zwischen den Häusern immer wieder schöne Blicke auf die Brücke. Wir finden ein kleines Fischrestaurant am Ufer des Flusses und genehmigen uns einen Moccha und eine Kleinigkeit zu essen und beratschlagen, ob und wie wir uns Edinburgh noch anschauen wollen.
Wir beschließen, mit den Autos einmal durch Edinburgh zu fahren, um zumindest einmal einen Blick erhaschen zu können. Knapp 15 Kilometer sind es von South Queensferry ins Stadtzentrum von Edinburgh, ein genaues Ziel haben wir nicht. Didi fährt nach einem Mix aus Landkarte und Intuition, und nach ein paar Abbiegeverboten und Einbahnstraßen landen wir zielgenau vor dem Edinburgh Castle und finden promt einen Parkplatz am Straßenrand. 4,-£ möchte der Parkscheinautomat für eine Stunde haben. Eigentlich hatten wir überlegt, zwei Stunden zu bleiben, so viel Kleingeld bekommen wir allerdings nicht zusammen, und Scheine oder Karten nimmt der Automat nicht.
Das Castle von Edinburgh schauen wir uns wieder nur von aussen an, es thront auf einer kleinen Anhöhe über der Stadt. Eher ziellos begeben wir uns in die Stadt, Sightseeing im Schnelldurchlauf.
Direkt am Hauptbahnhof der Stadt, Edinburgh Waverley, befindet sich das altehrwürdige Nobel-Hotel The Balmoral aus dem Jahre 1895 mit seinem bekannten und weithin sichtbaren Uhrenturm. Hier beendete J.K. Rowling am 11. Januar 2007 ihren letzten Teil der „Harry Potter„-Reihe Harry Potter und die Heiligtümer des Todes in Zimmer 552, welches seit dem nach ihr benannt ist und bei Harry Potter Fans zu einer regelrechten Pilgerstätte geworden ist. Eine Nacht in der Suite kostet nahezu 1.000,-£.
Fun Fact:
Die Uhr des The Balmoral geht seit 1902 durchgehend drei Minuten vor, damit die Bürger von Edinburgh auf keinen Fall ihren Zug verpassen. Einzig in der Silvesternacht wird die Uhr auf die aktuelle Zeit umgestellt.
Nach einer Stunde kommen wir zu den Autos zurück, der Feuerwehrmann hat einen Strafzettel bekommen. Er parke nicht exakt in der dafür vorgesehenen Markierung und darf jetzt ein halbes Vermögen an Strafzahlungen leisten. Gedanken machen sich breit, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn Schottland auch aus der EU austrete.
Inzwischen ist es 16.30 Uhr, es sind noch 662 Kilometer bis Harwich. Wir wollen versuchen, bis 19 Uhr so weit wie möglich Richtung Süden zu kommen und dann nach einem Campingplatz Ausschau halten. Das Wetter zeigt sich zum Abschied aus Schottland von seiner besten Seite und so fahren wir bei wolkenlosem Himmel in den Abend hinein.
Um 18 Uhr haben wir die Grenze nach England erreicht. Der Urlaub ist zwar noch nicht um, aber gut 1.400 Kilometer Roadtrip durch Schottland seit Gretna Green gehen damit nach acht Tagen und einer Stunde zu Ende.
Bei Warkworth, etwa 40 Kilometer nördlich von Newcastle, zeigt Google Maps uns einen Campingplatz an. Die Straßen dorthin werden immer kleiner und schmaler, bis uns die unfreundliche Tante auf einen Feldweg schickt. Einen Kilometer noch, sagt sie. Wir erreichen ein kleines Farmhaus, hier ist das Ende des Feldweges. Gerade, als wir umkehren wollen, kommt die Besitzerin mit ihrem Hund von einem Spaziergang zurück. Ja, dies sei ein Campingplatz, wir dürfen uns auf die Wiese hinter dem Haus stellen. Eines der für Großbritannien tyischen Mobilheime dient als Sanitärgebäude und als Aufenthaltsraum, außer uns ist noch ein einzelner Zelter am anderen Ende der Wiese auszumachen.
Im kleinen Ort Warkworth soll es zwei gute Pubs geben, wir sollten uns aber beeilen, wenn wir noch etwas essen wollen. Um 20.30 mache die Küche spätestens zu. Und wir sollen auf keinen Fall den direkten Weg nehmen, dort sei die Straße sehr schlecht und führe durch eine Furt.
Der Pub ist gut gefüllt, wir bekommen dennoch einen Tisch für sechs Personen und sogar noch etwas zu Essen. Gegen 21 Uhr findet in dem urigen Pub ein Pub-Quiz statt, die Crazy Germans machen natürlich auch mit und haben als einzige mal sowas von keine Ahnung von BBC-Serien, Jagdzeiten und Bilderrätseln. Spaß macht es trotzdem, und wir genießen den Abend, bevor wir in völliger Dunkelheit den Weg zurück zum Campingplatz suchen.
Die Rückreise beginnt
Samstag, 20.04.2018
Die Nacht über haben wir sehr gut geschlafen, hier draußen ist es so abgelegen, dass man absolut nichts hört. Bis morgens um sechs, da beginnt die Fütterung der Schafe auf der Weide nebenan. Etwa zwanzig Schafe waren gestern abend auf der Weide sichtbar, und die verhielten sich einigermaßen zivilisiert. Aber wenn es ums Essen geht, blöken die sich nicht nur gegenseitig an, die BRÜLLEN sich eher an. Vorbei war es mit der herrlichen Ruhe, und auf der Weide befinden sich nicht bloß zwanzig Schafe, es sind heute morgen hunderte.
Vor dem Mobilehome mit dem Badezimmer stehen noch zwei rustikale Toilettenhäuschen, stilecht mit Blick auf die Schafe und einer Gardine vor dem Fenster. Das ist wie Urlaub.
Um halb zehn verlassen wir diesen empfehlenswerten Campingplatz. Gestern warnte uns die Besitzerin vor der schlechten Straße und der Furt, und da das Wetter heute richtig schön ist, bewirkte der gut gemeinte Hinweis bei uns heute morgen das genaue Gegenteil: Furt klingt spannend, der Eilbeker kennt sowas noch nicht, also nichts wie hin da.
Die Furt ist ungleich größer als diejenige, die wir vor zwei Jahren durchquert hatten, und führt etwas mehr Wasser. Die Beifahrerinnen der anderen beiden Busse sind mehr oder weniger skeptisch und weigern sich anfangs, mit dem Auto auf die andere Seite zu fahren. Didi ist mutig und so muss das Didimobil als erstes austesten, ob man mit einem Bulli auf die andere Seite kommt.
Natürlich funktioniert die Querung des kleinen Flusses einwandtfrei. Ich drehe um und fahre ein zweites Mal durch die Furt, um den anderen zu berichten, dass man nicht nur durch die Furt kommt, sondern dass die Straße auf der gegenüberliegenden Seite sogar noch weitergeht.
Am Ende schaffen wir es alle, durch den reißenden Bach zu fahren, was eine nicht unerhebliche Abkürzung zu dem gestrigen Weg darstellt.
In Warkworth hatten wir gestern abend bereits eine schöne Burgruine erspäht, die wollen wir uns heute noch einmal genauer anschauen. Natürlich gerteu der Prämisse nur anschauen, nicht reingehen. Viel zu sehen gibt es im Inneren sowieso nicht, handelt es sich doch um eine Ruine, und so sparen wir uns die 7,50£ Eintritt.
Da das Didimobil langsamer ist als die beiden VW T5, verabreden wir uns zu um 19 Uhr am bekannten Campingplatz in Harwich. Die anderen sollen schon einmal Essen bestellen, dann können wir uns direkt an den gedeckten Tisch setzen, wenn wir ankommen. Gegen 17 Uhr erreichen sie den Campingplatz, auch das Didimobil kommt gut durch und ist eineinhalb Stunden später ebenfalls an Ort und Stelle.
Am nächsten Morgen stellen wir den Wecker auf sieben Uhr, auf der Fähre haben wir eine Kabine gebucht und können dort duschen. Wir machen noch einen Abstecher zum Supermarkt am Hafen, um unsere letzten Pfunde loszuwerden und decken uns mit Cider und sonstigem britischen Gebräu ein und machen uns auf den Weg zum Fähranleger.
Die Fähre ist unglaublich leer und das Personal an Bord hat endlich mal Zeit, das Schiff blitzeblank zu putzen. Trotzdem haben wir bei der Ankunft eine Viertelstunde Verspätung, was aber bei sechseinhalb Stunden Fahrt nicht weiter ins Gewicht fällt.
Letztes Jahr hat uns die Tulpenblüte in Holland so gut gefallen, dass wir uns dieses kultivierte Naturschauspiel auch dieses Jahr noch einmal anschauen wollen. Rund 50 Kilometer nördlich von Hoek van Holland liegt der Bollenstreek, eines der Hauptanbaugebiete von Tulpen. Dennoch haben wir anfangs Probleme, überhaupt eines der bekannten Tulpenfelder zu entdecken, und so fahren wir über die Dörfer in Richtung Lisse.
In Lisse selbst werden wir dann doch noch fündig. Hier herrscht das absolute Verkehrschaos, der Verkehr in der Stadt ist komplett zum Erliegen gekommen. Mitten drin zig deutsche Reisebusse, sogar welche aus Schweden stehen im Stau. Wir bahnen uns einen Weg entgegen des stehenden Verkehrs, als wir plötzlich vor einem wunderschönen Tulpenfeld stehen. In einer Nebenstraße finden wir sogar drei Parkplätze und gehen zum Feld.
Das Feld ist ein echter Anziehungspunkt für Touristen. Überall rennen die mitten durch das Feld und zertrampeln die schönen Blumen, so wird das bestimmt nicht gedacht gewesen sein. Wir halten uns brav am Rand des Feldes auf und machen ein paar Fotos, bevor wir uns um einen Platz für die Nacht kümmern wollen.
In dieser Gegend gibt es zahllose Campingplätze; leider sind jedoch so ziemlich alle voll belegt. Wir befragen unsere Stellplatz-App und suchen nach einem Platz etwas weiter weg vom Tulpentroubel. In Bunschoten-Spakenburg soll es einen schönen Stellplatz an der Marina geben, das sind gute 80 Kilometer weiter Richtung Heimat. Gegen 22 Uhr treffen wir ein, im kleinen Bistro steppt der Bär. Wir bekommen drei Plätze und sogar noch eine Kleinigkeit zu essen, dazu leckeres Bier. Beim herzlichen Wirt bestellen wir gleich noch Frühstück für morgen früh, bevor wir gegen 1 Uhr nachts ins Bett gehen.
Das Ende ist nah
Sonntag, 21.04.2018
Extra für uns besorgt der Bistro-Wirt heute, am in den Niederlanden heiligen Sonntag, Brötchen und alles, was dazu gehört. Das Buffet ist dermaßen reichhaltig, dass wir trotz größter Bemühungen nicht schaffen, alles aufzuessen. Wir bleiben lange und genießen unsere letzten gemeinsamen Urlaubsstunden.
Um halb eins verabschieden wir uns und bestellen schon mal drei (oder auch mehr) Stellplätze für nächstes Jahr vor. Die Autobahn ist leer am heutigen Sonntag und wir kommen sehr gut durch. Nach knapp zwei Stunden ist die Grenzgiraffe erreicht, das Zeichen, dass der Urlaub endgültig vorbei ist. Die niederländisch-deutsche Grenze erreichen wir fünf Minuten später.
In Haselünne tanken wir die Fahrzeuge noch einmal voll und sind entsetzt ob der Preise. Ganze 20 Cent mehr als noch vor zwei Wochen. Wir verabschieden uns vom Feuerwehrmann und der Krankenschwester, die Beiden möchten möglichst früh zu Hause sein. Mit dem Eilbeker und seiner Frau machen wir noch die obligatorische Kaffeepause am Autohof in Cloppenburg, bis auch wir uns verabschieden.
Rund 40 Minuten nach dem Eilbeker sind auch wir wieder in Hamburg angekommen, ich setze den Doktor zu Hause ab und bin ziemlich genau um 20 Uhr zu Hause.
Fazit
Schottland war nie meine erste Wahl als Reiseziel gewesen, eigentlich war es der Sohn, der schon vor drei Jahren gerne einmal mit mir dort hin wollte. Gepasst hatte es seit dem leider nie. Erst die phantastischen Bilder des Chefkochs vom letzten Jahr machten mich neugierig, und da es dieses Jahr zeitlich gut passte, schloss ich mich der Mehrheit einfach an. Auch bei den Reisevorbereitungen stellte sich bei mir noch kein „Da will ich unbedingt hin“-Gefühl ein. Aber wenn man die grandiose Landschaft dann live und in Farbe sieht, kommt man tatsächlich ins Schwärmen. Es wird daher ganz gewiss nicht das letzte Mal gewesen sein, dass das Didimobil in Schottland weilte. Wie sagt man so schön: Vielleicht war es Liebe auf den zweiten Blick. ♥
Bine undich denkeh gerne an diese Reise. Wir hoffen, dass wir noch einmal zusammen fahren und wieder viel Spass haben. War schön.
Liebe Grüsse.