Standedge Tunnels
Montag, 09.04.2018
Das Playoff-Wochenende liegt hinter uns, heute soll der eigentliche Roadtrip nach Schottland beginnen. Eigentlich wollten wir gestern nicht ganz so spät nach Hause gehen, doch eine gute Freundin von uns hat heute Geburtstag und da war es selbstverständlich, dass wir zumindest um Mitternacht noch mit ihr anstossen. Aus Mitternacht wurde dann zwei Uhr morgens, dementsprechend müde fängt der Tag heute an.
Als es in Hamburg losging, war Didi ein wenig vergesslich und hat natürlich ebenfalls den ausgearbeiteten Tourplan zu Hause vergessen. Nicht ganz so schlimm, was man nicht auf dem Papier hat, hat man halt im Kopf, und da hatte sich irgendwie „10 Uhr aufstehen“ eingebrannt, obwohl Didi ansich ein Nachtmensch und Morgenmuffel ist und inzwischen weiß, wie schlimm die Morgen nach den Playoff-Wochenenden sind.
Die letzten beiden Tage versorgte uns der Chefkoch erneut mit seinen fantastischen Eiern und Würstchen zum Frühstück, dieses Jahr sogar noch zusätzlich mit leckeren Kartoffeln. Die Hühner waren auch schon wieder ganz ungeduldig und wir konnten den Doktor gerade noch davon abhalten, Charles und Camilla, wie er die beiden taufte, mit in die Pfanne zu legen.
Heute gibt es also das letzte gemeinsame Chefkochfrühstück. Er und seine Frau werden weiter nach Cornwall fahren und am Samstag die Fähre zurück nehmen, die Pinneberger wollen in Ruhe nach Harwich zurückfahren, da ihre Fähre bereits heute abend um 23.00 Uhr zurück nach Hoek van Holland fährt.
Um 12 verabschieden wir uns von den anderen vier. Wir müssen noch kurz zum Engländer und eine Kiste Astra abliefern. Ist nicht schlimm, das liegt fast auf unserem Weg. Ihm geht es heute morgen überhaupt nicht gut, bis kurz nach sieben dauerte die Party noch. Gut, dass wir schon um zwei gegangen waren. 😉
Gleich um die Ecke vom Engländer finden wir noch einen Supermarkt, an dem wir unsere Vorräte an Nervennahrung und Getränken auffüllen, bevor wir gegen 13.15 Uhr endlich gen Norden Richtung Schottland starten können. Laut meinen Erinnerungen hätten wir bereits vor einer Stunde auf der Autobahn sein sollen, dafür kommt uns promt der Chefkoch auf der Gegenfahrbahn entgegen. Wie klein die Welt doch ist… 😉
Vorbei an Sheffield, der Stadt, aus der der Eishockey-Erzrivale Nottinghams kommt, dauert es rund zwei Stunden bis zu unserem ersten Etappenziel für den heutigen Tag, die Standedge-Tunnel am Huddersfield Narrow Kanal. Entlang des Nordrandes des Peak District benutzen wir die landschaftlich reizvolle Route entlang der A616 via Holmfirth.
Die Nordportale der Standedge Tunnel befinden sich in der Nähe von Marsden, hier gibt es auch ein Besucherzentrum und ein kleines Café. Google maps lotst uns zielsicher dorthin, die letzten 500 Meter über einen abenteuerlichen Schleichweg durch eine zwei Meter breite Lücke in der Mauer neben der Hauptstraße.
Die Standedge Tunnel sind eigentlich vier übereinander und nebeneinander gelegene Tunnel, jeweils rund fünf Kilometer lang, welche das Penninen-Gebirge im Norden Englands unterqueren. Drei davon sind Eisenbahntunnel, von welchen zwei jedoch heute stillgelegt sind. Wir interessieren uns eher für den vierten Tunnel, welcher den Huddersfield Narrow Kanal durch das Gebirge führt. Mit 5.029 Metern Länge ist er nicht nur der älteste der vier Tunnel, sondern seit seiner Inbetriebnahme im Jahre 1811 auch der längste und gleichzeitig höchstgelegene Kanaltunnel Englands.
Wer kein eigenes Narrowboat, wie die nur zwei Meter schmalen und bis zu 22 Meter langen kanaltauglichen Hausboote in England genannt werden, hat, kann vom Besucherzentrum aus an geführten Touren in den Tunnel teilnehmen. Dabei werden Fahrten zwischen einer halben Stunde und drei Stunden für die komplette Durchquerung des Tunnels angeboten. Wir beschränken uns ob der vorangeschrittenen Zeit auf eine Tasse Kaffe und einen kleinen Snack im Bistro.
Viel los ist an dem heutigen wolkenverhangenen Montag nicht, und das Besucherzentrum samt Ausstellung schliesst gerade, als wir um 16 Uhr daran vorbeikommen. Trotzdem war es ein lohnender Abstecher, denn Kanaltunnel sind bei uns eher unbekannt.
Rund 100 Kilometer sind es noch bis zu unserem heutigen Etappenziel nach Malham. Entlang der Westausläufer der Pennies benötigen wir rund zwei Stunden bis nach Malham im Süden des Yorkshire Dales Nationalparks, wo sich der im Internet angepriesene Campingplatz als eher nicht existent herausstellt.
Wir fragen in einem örtlichen Hotel nach einem Campingplatz. Die Hauptstraße weiter hoch soll nach ein paar hundert Metern ein kleiner Campingplatz auf der rechten Seite sein. Wir finden ihn, die Wiese ist mit orangenen Zelten einer Jugendgruppe belegt, und die herzliche Besitzerin möchte uns mit den Fahrzeugen nicht auf die Wiese fahren lassen: Erst letzte Woche sei der Schnee hier endgültig geschmolzen und die Wiese noch zu feucht, als dass sie unsere Bullis aushalten würde. Aber auf dem Grandparkplatz könnten wir stehen, wenn wir keinen Strom benötigen.
Benötigen wir nicht, ausser für den Heizlüfter. Egal, dann ziehen wir uns halt was Warmes an über Nacht. 15,-£ kostet die Übernachtung pro Fahrzeug, dafür stehen wir direkt unterhalb der Malham Cove, einem von unzähligen Schauplätzen der Harry Potter Verfilmungen. Ein Wanderweg führt bis an die Wand und weiter hinauf zum Malham Tarn, dem höchstgelegenen kalkhaltigen See Englands. Da es inzwischen auf 19 Uhr zugeht, es leicht anfängt zu nieseln und wir Hunger haben, sparen wir uns den Aufstieg und begeben uns in das sehr überschaubare kleine Örtchen.
Es gibt einen Pub, ein Hotel und ein Café in dem Dorf, welches nur aus rund 30 Häusern besteht. Eine touristische Infrastruktur ist durchaus vorhanden, um diese Jahreszeit jedoch kaum genutzt.
Das Hotel sieht einladend aus, alt und gemütlich, wie man sich ein typisch britisches Herrenhaus vorstellt. Leider sind zu unserer Überraschung alle Plätze belegt, und so machen wir es uns gegenüber im Pub „The Buck Inn“ bequem. Es gibt Steak für günstig Geld, und obwohl sowohl die Beilagen, als auch die Gerichte der Nicht-Steakesser hervorragend schmecken, ist das Steak wieder einmal zäh und trotz „medium rare“-Bestellung mehr als durch. Steaks können die Engländer einfach nicht.
Draussen hat es sich inzwischen eingeregnet, und so verbringen wir den Abend bei leckerem lokalen Bier im The Buck Inn und testen aus, ob man wirklich mit einer einzigen Frage nach dem englischen Wort für „Brötchen“ auf einen Schlag alle Engländer eines Pubs in helle Diskussionen versetzen kann. Die Antwort lautet definitiv: Ja! 🙂
Yorkshire Dales Nationalpark
Dienstag, 10.04.2018
Die Nacht war frisch, aber nicht unangenehm, schließlich hatten wir uns extra warm angezogen. Das Wetter hingegen verleitet dazu, einfach im Bett zu bleiben. Die Wolken hängen tief und es regnet leicht vor sich hin. Wetter, wie man es aus Erzählungen von England kennt. Der Doktor hat bereits um sieben Hummeln im Hintern, der Rest streckt gegen acht vorsichtig ab und an mal ein beliebiges Körperteil aus dem Auto nur um festzustellen, dass man gar nicht aufstehen mag.
Die Dusche befindet sich ohne Heizung in einem kleinen Holzverschlag, wir verzichten aufgrund der fehlenden Heizung heute morgen einfach mal drauf. Gegen kurz nach neun sind wir fertig und es gab bereits einen Kaffee. Wir wollen in den Ort, etwas frühstücken. Der Pub macht erst zum Mittag auf, das Café jedoch um zehn. Wir warten, dass es zehn wird und werden von dem netten Barkeeper des Pubs bedient. Hier arbeitet jeder noch überall. 😉
Knapp zwei Kilometer östlich von Malham liegt der Janet’s Foss Wasserfall. Da der Regen etwas nachlässt, ist es einen Versuch wert. Eine Ausschilderung gibt es nicht, wir finden ihn aber trotzdem. Wer Karten lesen kann ist klar im Vorteil. Der Weg ist matschig und sehr rutschig, dennoch hat sich der Abstecher zu dem eher kleinen Wasserfall gelohnt – und es hörte sogar auf zu regnen.
Wir sind keine halbe Stunde unterwegs durch den Yorkshire Dales Nationalpark, da ist unsere Straße gesperrt. Einfach so. Keine Umleitung, kein Hinweis. Wir drehen um und lassen uns von Google maps im wahrsten Sinne über Berg und Tal führen, bis wir nach einem 20 Kilometer langen Umweg wieder die Hauptstraße erreichen.
Wir werden auf den kleinen Straßen noch häufiger die einzigen Fahrzeuge bleiben. Je weiter nördlich man in Großbritannien kommt, desto eher kann man trotz Hecken und Mauern auf der Straße mal kurz anhalten. Im Vergleich zu Wales oder Cornwall richtig angenehm.
Unser nächstes Ziel sollen die Aysgarth Falls im gleichnamigen Ort sein. Kaum zurück auf der Hauptstraße werden wir vor dramatischen Wetterfolgen gewarnt:
Es soll bei der Warnung bleiben, wahrscheinlich stehen die Schilder noch von letzter Woche, als hier noch Schnee gelegen haben soll. Die 20 Kilometer auf der gut ausgebauten B6160 bis nach Aysgarth fahren sich angenehm, zweimal jedoch müssen wir tatsächlich durch kleine, die gesamte Straße ausfüllende „Seen“ fahren. Macht ja irgendwie Spaß so eine Unterbodenwäsche… 😉
An den Aysgarth Falls parken wir die Autos und gehen zu Fuß die letzten steilen 200 Meter hinunter zum Fluss. Die Wasserfälle ziehen seit Jahrhunderten Menschen in ihren Bann, und selbst Kevin Kostner hat sich bereits in Robin Hood – König der Diebe in den Fluten der Aysgarth Falls mutig in den Kampf gestürzt.
Am unteren Ende der Wasserfälle führt eine alte Steinbrücke die Straße über den Fluss, eine alte Mühle vervollständigt das Ensemble. In der Mühle gibt es ein kleines Café, wo es neben einer Vielzahl von riesigen selbstgemachten Kuchen und Torten eine umwerfend leckere Quiche zu essen gibt.
Eine gute Stunde verbringen wir in dem gemütlichen Café, während es draußen wieder anfängt zu nieseln. Das englische Wetter hat uns voll im Griff – übrigens das erste Mal seit inzwischen fünf Touren auf die Insel -, was die alten Gemäuer von innen gleich noch einmal um Vieles gemütlicher wirken lässt.
Beim Bezahlen fragen wir noch schnell nach einer Tankstelle. Wir haben Glück, und zwei Kilometer weiter in den Ort hinein soll es eine geben. Sie ist vergleichsweise sehr teuer, aber auch die Erste, die wir seit gefühlt zweihundert Kilometern sehen. Wir tanken die Autos voll, wer weiß, wann die nächste Tankstelle kommt.
Wieder vorbei an den Aysgarth Falls kommen wir zum Bolton Castle. In diesem alten Schloss aus dem 14. Jahrhundert wurde einst die schottische Königin Maria Stuart gefangen gehalten und wurde als Kulisse für Filme wie Ivanhoe – Der schwarze Ritter, Elizabeth oder Der Doktor und das liebe Vieh verwendet.
Da das Wetter noch immer ungemütlich ist, fahren wir weiter. 32 Kilometer oder 45 Minuten schlägt uns google über den landschaftlich reizvollen Buttertubs Pass vor. Bekannt ist diese sehr steile und kurvenreiche Straße für ihre bis zu 24 Meter tiefen Löcher im Karststein etwas abseits der Fahrbahn. Uns sollen die sogenannten Buttertubs verborgen bleiben, dafür sorgen dichte Wolken, die den 526 Meter hohen Pass förmlich eingenebelt haben.
Auf Wikipedia gibt es im Artikel zum Buttertubs Pass ein Bild, wie es eigentlich aussehen sollte sowie ein Bild von den namensgebenden Buttertubs:
https://de.wikipedia.org/wiki/Buttertubs-Pass
Interessanter Weise sorgt der Nebel dann auch dafür, dass wir die bis zu 25%igen Steigungen und Gefälle als gar nicht so dramatisch wahrnehmen. 😉
Auf der anderen Seite des Buttertubs Passes sieht es wettertechnisch nicht besser aus, allerdings passt die trübe Wetterlage ausgezeichnet zu den grau-bräunlichen Steinhäusern der örtlichen Dörfer.
Im Internet hatten wir schon vor der Abreise einen Campingplatz in dem kleinen Weiler Keld gefunden, der einen sehr guten Eindruck machte. Vor Ort entpuppt sich dieser Campingplatz leider als mehr oder weniger nicht existent, obwohl selbst google an der Stelle einen Campingplatz verzeichnet hat.
Einen Kilometer weiter die Hauptstraße entlang zeigt das Navi des Eilbekers einen weiteren Campingplatz an, bei uns anderen versagt in dieser Gegend das mobile Internet. Einen Versuch ist es wert, und so landen wir an einem kleinen Farmhaus mit drei Yurten im Garten: Swaledale Yurts. Hier kann man offenbar Yurten, westasiatische Gruppenzelte, mieten, die vollständig als eine Art Wohnung eingerichtet sind, aber mit Zelt oder Wohnmobil/Wohnwagen steht hier niemand. Wir wollen gerade umkehren, da kommt die herzliche Besitzerin raus. Wir könnten direkt am Haus stehen, sie fährt ihre privaten Autos weg und Strom gibt es ebenfalls.
Die Frage, ob es in dieser Region Taxis gibt, wird verneint, und wir „befürchten“, mit den Autos zum Pub im Nachbarort fahren zu müssen. Brauchen wir aber nicht, denn in der von außen ziemlich heruntergekommen aussehenden Scheune befindet sich ein sehr nobel und mit modernster Küche eingerichteter Aufenthaltsraum, der sogar beheizbar ist. UND es gibt eine Auswahl an fünf lokalen Gerichten, die die Gastgeberin mit viel Liebe für ihre Gäste zubereitet. ♥
Wir verbringen den Abend in der Scheune, das Essen ist vorzüglich, das Bier schmeckt und der Abend ist rundum gelungen.