It’s Hockey Time in Hradec Králové
Samstag, 26.07.2017
Heute heißt es erst einmal ausschlafen. Jedenfalls so lange es geht, denn bereits gegen zehn Uhr bruzzelt mich die Sonne aus dem Bett. Der Chefkoch und seine Frau sind auch schon wach trotz der kurzen Nacht. Es gibt erst einmal einen Kaffee und der Klönschnack von gestern abend wird bis 13 Uhr fortgesetzt. Obwohl wir inzwischen alle recht hungrig sind, ist noch niemand auf die Idee gekommen, Frühstück zu machen, dabei hat der Chefkoch doch extra Eier besorgt. 😉
Aus dem Frühstück wird ein Mittagessen, danach die Dusche ausprobiert und an allen Wasserhähnen gedrückt, gezogen, gedreht und geschimpft, bis wir bemerken, dass die Armaturen nur Dekoration sind und die Wasserhähne mit einem Bewegungssensor arbeiten. Da soll erst einmal jemand drauf kommen.
Um 14 Uhr begeben wir uns zur Bushaltestelle. Der Bus kommt natürlich nicht. Zastavka! Wir vermuten, dass der Busfahrplan für Samstag die dritte Spalte von vieren ist und übersetzen die zweite per Google Übersetzer. „Der Bus fährt nach rechts“, oder so ähnlich, übersetzt Google die Verkehrstage dort. Macht genauso viel Sinn wie der zu Fuß gehende letzte Bus zurück. Eine Viertelstunde später kommt der Bus. Umgerechnet einen Euro kostet die Fahrt in die Stadt, dafür klappert das Vehikel an allen Ecken und Kanten und wir haben Angst, beim nächsten Schlagloch von irgendwelchen Deckenverkleidungen erschlagen zu werden.
Von der Bushaltestelle in der Stadt sind es fünf Minuten Fußweg bis auf den Marktplatz in der kleinen historischen Altstadt mit ihren auffällig vielen Kirchtürmen. Rund um den langgezogenen Platz haben sich zahlreiche Restaurants und Cafés angesiedelt. In einem der Teuersten treffen wir auf den Manager und die Zweitmutter sowie die ersten englischen Freunde. Das tschechische Bier schmeckt auch für 2,-€ pro halbem Liter hervorragend, und nach und nach treffen weitere Freunde aus Nottingham ein. Die meisten von ihnen sind mit dem Flugzeug nach Prag angereist und kommen jetzt mit dem Mietwagen oder dem Zug nach Hradec Králové.
Gegen 18 Uhr begeben wir uns zur Arena, welche keine zehn Minuten Fußweg vom Marktplatz entfernt liegt. Im Fanshop werden Mitbringsel und Andenken besorgt und vor der Halle von Einheimischen Tips für den effektivsten Bierkonsum eingeholt: Das Bier in der Halle ist ungenießbar und sehr teuer, lieber in den Drittelpausen zum Kiosk auf der anderen Straßenseite gehen. Dort kostet der halbe Liter einen Euro und er schmeckt tatsächlich vorzüglich. UND man darf ihn mit in die Halle nehmen. Ich mag tschechisches Eishockey. ♥
In der gerade einmal zur Hälfte besetzten Halle machen die Fans von Mountfield enorme Stimmung, welche auch nicht nachlässt, nachdem der Underdog Nottingham völlig unerwartet in Führung geht. Die Panthers schreiben hier heute Geschichte, als kompletter Außenseiter bezwingen sie am Ende einen tschechischen Eishockey-Club mit 2:4. 🙂
Der Abend wird lang und feucht-fröhlich, wir feiern diesen unvorhersehbaren Sieg bis spät in die Nacht und fahren mit dem Taxi heim zum Campingplatz.
Mit dem Auto zur Elbquelle
Sonntag, 27.08.2017
Der Chefkoch und seine Frau haben noch bis Mittwoch Urlaub, und bereits gestern sprachen wir darüber, dass die Beiden noch nach Prag fahren wollen. Ich erzählte von der Elbquelle in der Nähe von Hradec Králové und stieß auf begeisterte Ohren von des Chefkochs Frau. So schmiedeten wir bereits gestern Pläne, heute die Quelle der Lebensader unserer Heimat aufzusuchen.
Nach dem erneut sehr leckeren Frühstück brechen wir gegen Mittag auf Richtung Elbquelle. Mit dem Auto kommt man dort nicht hin, und so suchen wir uns auf der Karte einen Ort, von dem wir der Meinung sind, am dichtesten an die Quelle heranzukommen. Im Nachbartal in Spindlermühle soll es einen schönen Campingplatz geben. Wir entschließen uns ob der schon vorangeschrittenen Zeit, erst nach Horní Mísečky zu fahren und der Quelle einen Besuch abzustatten, und anschließend den Campingplatz anzusteuern.
In Hořice v Podkrkonoší scheint heute irgendeine Art Volksfest stattzufinden, jedenfalls sind sämtliche Ortsdurchfahrten für den Verkehr gesperrt, und so werden wir auf eine abenteuerliche Umleitungsstrecke durch die tschechische Provinz geschickt.
In dem kleinen Örtchen Pecka herrscht an diesem Sonntag Trödelmarkt auf der Hauptstraße. Im Gegensatz zu Hořice v Podkrkonoší gibt es hier jedoch keine Ausweichroute, sodass der gesamte Verkehr mitten über den Markt geleitet wird. „Drive-Through“-Trödelmarkt also.
Nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir die Südausläufer des Riesengebirges. Auch mitten im Hochsommer wird deutlich, dass der Wintertourismus hier die Haupteinnahmequelle zu sein scheint: Skiverleih, Skischulen und Skilifte, so weit das Auge reicht. Die Auffahrt nach Horní Mísečky ist wie in Polen vergleichsweise lang und flach, sodass man die stetige Höhenzunahme fast ausschließlich über die merklich kühler werdenden Außentemperaturen merkt.
In Horní Mísečky ist dann tatsächlich Schluss, ein gebührenpflichtiger Parkplatz markiert das Ende der öffentlichen Straße. Sechs Kilometer bis zur Quelle, zeigt uns Google Maps an. Es ist kurz nach 15 Uhr, bis zum Abend sollte das schaffbar sein, beschließen des Chefkochs Frau und ich. Der Chefkoch stöhnt, begleitet uns aber trotzdem. Weiter kommt man mit dem Auto zur Elbquelle nicht.
Zu Fuß zur Elbquelle
Bereits nach 500 Metern macht sich der Berg in den Knochen bemerkbar, und so findet der Chefkoch schnell einen Shuttlebus, der uns für 2,-€ pro Person gute drei Kilometer dichter ans Ziel und rund 400 Höhenmeter weiter nach oben befördert. Leider fährt der letzte Shuttle bereits um 17 Uhr wieder ins Tal, und ausgeschildert ist der Weg zur Elbquelle mit 3,5 Kilometern von der oberen Haltestelle. Ob wir das in 1,5 Stunden schaffen? Wir glauben es nicht und beschließen, abends zu Fuß den steilen Abstieg anzupacken.
Bis zum Elbfall, dem ersten und größten Wasserfall im Verlauf der Elbe, sind es 2,5 Kilometer von der oberen Bushaltestelle. Unterwegs passieren wir den Pančava, einen ersten Nebenfluss der Elbe. Wir überqueren ihn am oberen Ende einer der höchsten Wasserfälle Tschechiens, dem Pančavafall. 148 Meter fällt das Flüsschen hier senkrecht eine Steilwand hinunter, leider uneinsehbar vom oberen Klippenrand. Der Chefkoch möchte diesen kleinen Fluss als Elbe bezeichnen und wieder zurückgehen. Er wird überstimmt.
Wenige Meter später eröffnet sich uns ein toller Blick über einen Talkessel, in dem wir tief unten das erste Mal die junge Elbe erblicken, die sich in Schlangenlinien gen Tal windet. Obwohl es „nur“ ein Fluss ist, so ist dieser Anblick für mich schon ein wenig ergreifend. ♥
Nach insgesamt einer Dreiviertelstunde Fußmarsch erreichen wir den Elbfall, einen rund 40 Meter hohen Wasserfall im Oberlauf der nur rund einen Kilometer jungen Elbe. Leider ist die kleine Aussichtsplattform morsch und dadurch gesperrt, und so können wir erneut nur einen Blick vom oberen Ende erhaschen.
Der Elbfall und die Elbquelle
Am oberen Ende des Elbfalls befindet sich ein kleines Wehr, welches die Elbe nach einer kleinen Vorstufe zu einem winzigen See aufstaut. Welche Bewandnis dieses Wehr hat, wissen wir nicht, es funktioniert jedoch einwandfrei und so löst der Chefkoch eine kleine Flutwelle in Richtung Dresden und Hamburg aus. Hoffentlich gibt das keine Springflut. 😉
Vom mir bis dato unbekannten Elbfall ist es noch einen Kilometer bis zur Elbquelle. Auf 1386 Metern über dem Meeresspiegel und 1.094 Kilometer von ihrer Mündung in Cuxhaven entfernt entspringt der Fluss, der die Lebensader der Freien und Hansestadt Hamburg bildet. 400 Meter südlich der Grenze zu Polen entspringt eine winzige Quelle unter drei Hinkelsteinen, 15 Meter weiter wurde ein künstlicher „Wunschbrunnen“ angelegt. Gegenüber des Brunnens befindet sich eine kleine Steinmauer mit Mosaik-Wappen aller an der Elbe liegenden Städte. Während wir glücklich und andächtig an der Quelle „unseres“ Flusses stehen, schlägt die Uhr 17. Der letzte Shuttle fährt ohne uns, aber das ist es uns allen wert. 🙂
Wir machen uns auf den gut sechs Kilometer langen Weg zurück zum Didimobil. Unterwegs fängt der Chefkoch bereits an zu jammern, steil ist der Abstieg über steinige Geröllwege tatsächlich. Die richtigen Beschwerden sollen sich jedoch erst morgen einstellen, wenn sich sämtliche untrainierte Muskeln bemerkbar machen. 😉
Nach guten 1,5 Stunden erreichen wir den Parkplatz, welcher sich bereits gut geleert hat, und aufgrund der vorangeschrittenen Zeit brauchen wir nichts für den Parkplatz bezahlen. Spindlermühle mit seinem Campingplatz ist auf dem Fußweg nur 4 Kilometer entfernt, auf der Straße sind es ganze 40 Kilometer. Wir entschließen uns, einen anderen Campingplatz zu suchen, und finden einen auf dem Weg Richtung Prag.
Auf dem Weg zum Campingplatz in Košťálov schickt uns die Google Maps Tante mal wieder quer durch die Walachei. Der Chefkoch und seine Frau lästern bereits, dass das Navi jedes Mal, wenn ich eine Route suche, die umständlichste und schlechteste Route extra für mich heraussucht. 😉
Der Campingplatz ist leer, das angrenzende Freibad hat bereits geschlossen – die tschechischen Ferien scheinen vorbei zu sein. Die herzlichen Platzbetreiber sprechen ausschließlich tschechisch. Gut, dass ich genau sechs Worte tschechisch kann: Zastavka! (Bushaltestelle), Most (Brücke), Pivo (Bier), dobre (gut), dien (Tag) und pozor! (Achtung!). Damit eine Nacht für zwei Fahrzeuge, drei Insassen mit Strom zu bestellen UND das System der Dusche zu verstehen ist schon eine kleine Meisterleistung. 😉
Google kennt ein gutes Restaurant in der kleinen Stadt, zum Glück mag der Chefkoch den guten Kilometer nicht mehr laufen und fährt mit dem Auto, denn Essen gibt es dort schon lange nicht mehr. Im nächstgrößeren Ort Semily gebe es aber Restaurants, erzählt uns der nette Wirt. Acht Kilometer sind es bis Semily, fast alle Restaurants scheinen zumindest sonntags geschlossen zu haben. Eine Pizzeria hat noch geöffnet, und so gibt es zum Abendessen eine sehr leckere Pizza und ein kühles tschechisches Bier. Der Abend ist gerettet, morgen soll es dann nach Prag gehen.
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