Balkan-Roadtrip 2016 – Teil 22: Alles hat ein Ende

Vive la France!

Freitag, 26.08.2016

Ausgeschlafen und mit einem gewohnt vorzüglichen Eierfrühstück vom Chefkoch verwöhnt starten wir in den Tag. Wir treffen unsere britischen Freunde sowie die beiden anderen Hamburger an deren Hotel im Zentrum von Amiens am Rande der doch sehenswerten Altstadt.

Das Hotel ist klimatisiert, draußen herrschen Temperaturen im mittleren 30er-Bereich und die Luft steht. Wir freuen uns auf die kühle Eishalle und genießen ein Wochenende unter Freunden.

Amiens, Frankreich

Amiens

"Klein Holland" am Rande der Altstadt in Amiens, Frankreich

„Klein Holland“ am Rande der Altstadt

Die Kathedrale von Amiens, Frankreich

Die Kathedrale von Amiens

Kathedrale, Amiens

Kathedrale mit zwei unterschiedlichen Türmen

In der Kathedrale von Amiens

Riesiges Kirchenschiff

Platz vor der Kathedrale, Amiens

Platz vor der Kathedrale

Innenstadt von Amiens, Frankreich

Innenstadt von Amiens

Ein unspektakuläres Eishockey-Wochenende

Samstag, 27.08.2016

Der heutige Tag steht ganz im Zeichen des Eishockeys, das Didimobil hat Pause. Die Nottingham Panthers spielen zusammen mit den Kassel Huskies, der Mannschaft aus Amiens und einer kanadischen Mannschaft um den Titel des Napoleon Cups.

Sonntag, 28.08.2016

Das kanadische Team gewinnt das Turnier, der Abend wird standesgemäß getreu dem Motto: „Wir sind nur zum Feiern hier“ ausklingen lassen. Der Chefkoch und seine Frau reisen bereits am Abend ab, die beiden anderen Hamburger beschließen kurzfristig, eine weitere Nacht im Didimobil zu verbringen.

Die Rückreise beginnt

Montag, 29.08.2016

Der Wecker klingelt morgens um acht, der Sohn und seine Mutter wollen nach Hause. Ich fühle mich wie erwartet nicht sonderlich fit, nach so einem Eishockey-Wochenende benötigt man eigentlich einen Tag Urlaub – mindestens. Draußen ist es „kalt“ geworden, das Thermometer kratz nur leicht an der 20-Grad-Marke. Ich verabschiede mich vom Junior und seiner Mutter und bereite das Didimobil zur Abfahrt vor. Am liebsten ginge ich jetzt wieder ins Bett, aber ohne „unsere“ durchgeknallten Engländer macht Frankreich einfach keinen Spaß.

Ich fühle mich noch immer mehr als gerädert, beiße in den sauren Apfel und bezahle die 12,-€ für die Mautautobahn. Richtung Köln, habe ich mir vorgenommen, möchte ich fahren, meinem alten Schulkumpel habe ich bereits von meinem Plan berichtet. Es fängt an zu regnen und prompt versagt der Scheibenwischer seinen Dienst. Tot. Mausetot. Zum Glück ist es nur die Sicherung. Warum habe ich eigentlich keine Ersatzsicherungen an Bord? Die Nebelscheinwerfer müssen dran glauben und so wird kurzerhand deren Sicherung gegen die Fehlerhafte des Scheibenwischers ausgetauscht. Mit Kopfschmerzen geht es weiter nach Belgien.

Die Fritten sollen hier unglaublich lecker sein. An einer kleinen Pommesbude auf einem Rastplatz kaufe ich mir eine Tüte mit zwei verschiedenen Saucen. Will mir irgendwie nicht richtig schmecken, ich habe weder Hunger, noch Appetit. Mag am gestrigen Abend liegen.

In Luxemburg wird noch einmal für 94 Cent vollgetankt, dann geht es weiter nach Köln. Am Südrand der Stadt liegt ein Campingplatz direkt am Rhein, ich komme gegen 15 Uhr dort an und lege mich erschöpft eine Runde aufs Ohr. Mein Kumpel hat sich für 20 Uhr angekündigt, mich zu besuchen.

Mit dem Bulli mitten durch Köln

Mit dem Didimobil durch Köln

Drei Stunden Schlaf bewirken manchmal Wunder, ich fühle mich fit und auch das komische Bier in viel zu kleinen Gläsern schmeckt bereits wieder. Ich verbringe einen lustigen Abend mit meinem Kumpel und gehe dennoch relativ früh zu Bett.

Dienstag, 30.08.2016

Ein befreundetes Eishockey-Ehepaar hat Wind davon bekommen, dass ich gerade in Köln weile und lädt mich spontan zum Kaffee ein. So mache ich mich nach dem Ausschlafen gegen Mittag auf den Weg auf die andere Rheinseite nach Deutz und wir klönen ein paar Stunden über Gott, die Welt und natürlich Eishockey. Am Abend zieht es mich weiter nach Düsseldorf, auch dort treffe ich mich mit zwei Eishockeyfreunden. Einen Stellplatz zu finden ist gar nicht so leicht, ist doch gerade Caravan-Messe in Düsseldorf. Etwas Abseits werde ich dann doch noch fündig.

Oh Du mein Sauerland

Mittwoch, 31.08.2016

Langsam macht sich die Erkenntnis breit, dass die bislang schönste und längste Tour mit dem Didimobil – und vermutlich einer der eindrucksvollsten und überwältigsten Urlaube in meinem Leben – sich dem Ende zuneigt. Am Donnerstag treffen sich die Bulli-Freunde Hamburg zu ihrem monatlichen Stammtisch, also habe ich theoretisch noch bis morgen Zeit, nach Hamburg zurückzukehren.

Fachwerkdorf Milchenbach

Fachwerkdorf Milchenbach

Ich beschließe, querfeldein durch das Sauerland Richtung Osten zu fahren. Eine Gegend, die ein großer weißer Fleck auf meiner Deutschlandkarte ist. Eine eher strukturschwache Region mit vielen kleinen Fachwerkdörfern und wenig befahrenen Straßen über Felder und durch Wälder.

Nordhessen

Viel Landschaft in Nordhessen

Ich überquere die Grenze zu Hessen, durch diverse Straßensperrungen lande ich irgendwann im Wald.

Bulli im Wald

Umleitung quer durch den Wald

Zum Abend hin suche ich mir einen Wohnmobilstellplatz und werde fündig: Der mehrfach ausgezeichnete Wohnmobilhafen Twistesee in Bad Arolsen soll es sein.

Menningerhausen bei Bad Arolsen

Menningerhausen bei Bad Arolsen

Ich mache noch einen kurzen Abstecher durch die Fachwerkstadt Menningerhausen, bevor ich den Wohnmobilstellplatz am Twistesee ansteuere.

VW Bus Bulli Wohnmobilhafen Twistesee Bad Arolsen

Wohnmobilhafen Twistesee

Hier geht es jedoch ziemlich spießig zu. Hauptsächlich große Wohnmobile, deren Eigentümer in der Einsamkeit Wurzeln geschlagen zu haben scheinen. So ruhig und schön gelegen es auch ist, wirklich wohl fühle ich mich nach einem Monat absolut ungezwungener Atmosphäre hier irgendwie nicht.

Twistesee mit Wohnmobilhafen und Restaurant im See

Twistesee mit Wohnmobilhafen und Restaurant im See

Zum Abendessen gehe ich in den Ort, es gibt ein kleines Lokal mit tollem Essen. Leider ist am heutigen Tag Personalnotstand, und da alle Speisen frisch zubereitet werden, dauert das Essen etwas länger. Das Gepöbel vieler anderer Gäste – dem Anschein nach Wohnmobilisten aus den großen „Schlachtschiffen“ – zeigt mir deutlich, dass ich mich wieder mitten in Deutschland befinde. 🙁

Das Essen ist dafür vorzüglich; ich genehmige mir noch ein leckeres Weizenbier und mache mich gegen 23 Uhr auf den Weg zurück zum Didimobil. Es wird die letzte Nacht für diese Tour im Bulli werden.

Nur nach Hause woll’n wir nicht

Donnerstag, 01.09.2016

Der Tag der Heimreise ist gekommen. Ich wache gegen neun Uhr auf, die sanitären Einrichtungen sind vom Feinsten. Leider frisst die Dusche zwei Euro für fünf Minuten Wasser, was ansich nicht weiter tragisch ist, allerdings sind in der sehr großen Waschkabine Dusche und Waschbecken gekoppelt, sodass nach fünf Minuten ebenfalls das Wasser am Waschbecken abgestellt wird. So etwas habe ich bislang auch noch nicht erlebt, dass man für Wasser zum Zähneputzen und Rasieren Geld bezahlen soll und dann auch nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hat!

Über die Dörfer mache ich mich auf den Weg Richtung Göttingen. Noch habe ich Zeit, ich möchte erst um 19 Uhr in Hamburg sein und so nutze ich noch bis hinter Hannover die landschaftlich schöne Bundesstraße.

Dorfidyll im südlichen Niedersachsen

Dorfidyll im südlichen Niedersachsen

Um 18:05 Uhr passiere ich das Hamburger Willkommensschild an der Autobahn A1. Ich fahre zum Bulli-Klönschnack, es gibt viel zu berichten. Um 22 Uhr bin ich zu Hause. Ich nehme vorerst nur das Nötigste mit in die Wohnung und schaue mich erst einmal um. Irgendwie fühlt es sich merkwürdig an, nach so langer Zeit im Bulli wieder zu Hause zu schlafen.

Schönste Stadt der Welt: Hamburg

Nach 8.060 Kilometern und 33 Tagen wieder zurück in der schönsten Stadt der Welt

Epilog

Albanien! Um Himmels Willen! Nein, ganz bestimmt nicht. Mafia, Drogenhandel, Sodom und Gomorra. Da wird Dir das Auto geklaut und sollten Dich die Kannibalen nicht fressen, kennen die Foltermethoden, wogegen das Mittelalter harmlos erscheint.

Auf keinen Fall kannst Du mit dem Bulli nach Albanien fahren“, soviel stand für mich fest.

So begann meine Reiseplanung im Februar 2016 in ein Land, welches bislang in Europa kaum Beachtung findet und um welches sich viele Legenden und Mythen ranken. Durch Reiseberichte und Reiseblogs, durch Bilder und Recherche wurde ich neugierig – und immer mutiger. Ich war irgendwann fast euphorisiert davon, dieses Land bereisen zu wollen – und fand doch niemanden, der mich auf dieser Tour hätte begleiten wollen oder dürfen. Zu tief sitzen die Vorurteile dieses wundervollen Landes, eigentlich dem gesamten Balkan, gegenüber.

Es wurde unisono viel berichtet von grandioser Landschaft, unendlicher Gastfreundschaft und warmherzigen Menschen. Ich habe mich einlullen lassen und versucht, ohne wirklich mögliche Verifizierung potenzielle Mitfahrer zu überzeugen. Gelungen ist es mir nicht, vermutlich, weil ich innerlich selber Zweifel hegte.

Ich hatte mir diese Tour in den Kopf gesetzt und leider immer mehr Leuten davon erzählt. Ich hatte entschlossen wirken wollen, und das wurde mir am Ende zum Verhängnis: Jetzt kneifen, das Reiseziel doch ändern, weil ich keinen Mitfahrer hatte, kam nicht mehr in Frage. Ich traf mich in den ersten Tagen der Tour an verschiedenen Orten mit Bekannten und Freunden, bis es irgendwann in unbekannte Gefilde nach Slowenien ging. Ich wurde dort unglaublich herzlich aufgenommen und wusste in dem Moment, dass ich alles richtig gemacht hatte.

Der Mut wuchs, weiter in den Balkan hineinzufahren. Plitvicer Seen, viele Touristen, die können nicht alle irren. Und dann ging es nach Bosnien. Was würde mich dort erwarten? Vor 15 Jahren herrschte dort Krieg, seitdem hatte ich nie wieder etwas aus dieser Region des Balkans gehört. Der Grenzübertritt – ungewohnt freundlich und reibungslos. Der erste Tankstop mit drei jungen Männern als Tankwart. Ich verstand sie nicht und sie mich nicht. Die anfängliche leichte Anspannung meinerseits wich innerhalb der ersten Minute einem Gefühl der Vertrautheit.

Die Herzlichkeit der Menschen stieg mit der Grandiosität der Landschaften. In Montenegro fühlte ich mich bereits mehr heimisch als als Gast, die Landschaft ist atemberaubend und die Menschen aufgeschlossen und hilfsbereit. Und dann sollten sich doch Zweifel auftun, als es endlich in das „Land der Menschenfresser“ gehen sollte. Eine Mischung aus Freude, Neugierde und Angst. Ja, ich hatte Herzklopfen an der Grenze. Und dann schritt ein gut gelaunter Grenzbeamter aus seinem Häuschen, lächelte einen an und wünschte einen guten Tag. Man verstand sich kaum, den Ausweis gab es mit einem Handschlag zurück und den deutschen Worten: „Willkommen, Gute Fahrt“. Eine Begrüßung, die mich an die Einreise nach Alaska im „Simpsons“-Film erinnerte. Im Spiegel winkte mir der Grenzer, der eigentlich an jeder anderen mir bekannten Grenze von Berufs wegen grummelig und mies gelaunt ist, hinterher. Und dann befindet man sich mutterseelenallein mitten in grandiosester Natur mit Straßen, die selbst im Mittelalter unterster Standard gewesen wären.

Die nächsten Menschen, die man trifft, sind Bauarbeiter. Wildfremde Menschen, die einem im Vorbeifahren fröhlich zuwinken. Und wildfremde Menschen, die einen einfach anhalten und auf einen Kaffee nach Hause einladen. Ohne Hintergedanken, „denn das macht man doch so“. Und dann die grandiose, fast unberührte Natur.

Innerhalb der ersten zwei Stunden wurden sämtliche Beschreibungen bezüglich der Landschaft und vor allen Dingen der Menschen, die man vorher gelesen hatte, zu Untertreibungen. Die unendliche Gastfreundschaft der Albaner, die als höchstes Gut des Menschen in der jahrhundertealten Tradition des Kanun noch immer als Grundsatz fortgeführt wird, ist unbeschreiblich. Es herrscht im gesamten Land ein Miteinander, was von gegenseitigem Respekt und Anerkennung geprägt ist. Selten habe ich Orte erlebt, an denen man sich so sicher fühlen kann wie in Albanien. Gleichzeitig habe ich selten ein Land erlebt, dessen Naturschönheiten so vielfältig – und unberührt – sind wie eben dort. Alpine Berge, schroffe Felsen, kristallklare Flüsse. Menschenleere Strände, fjordähnliche Canyons, karges, unzugängliches Hinterland. Unglaublich gepflegte und saubere (Groß)städte mit Flair und Menschen ohne Hektik. Geselligkeit, Caféhaustradition und Hilfsbereitschaft.

Albanien ist mit Abstand das faszinierendste – und positivste – Land, welches ich je bereist habe. Ein Land, in dem der Tourismus noch in den Kinderschuhen steckt, in dem die Menschen daher noch nicht verdorben und dem Kapitalismus verfallen sind. Ein Land, in dem die Menschen siebzig Jahre in Unterdrückung und Armut gelernt haben, sich gegenseitig zu helfen und dieses bis heute als Grundpfeiler ihrer Gesellschaft ansehen.

Es ist Februar 2017, als ich diese Zeilen schreibe und Zeit zu überlegen, wohin die nächste Sommertour gehen soll. Ich glaube, ich weiß es bereits, und vielleicht findet sich ja dieses Jahr ein Mitfahrer. 🙂

2 Replies to “Balkan-Roadtrip 2016 – Teil 22: Alles hat ein Ende”

  1. Anonymous

    Lieber Didi Wöhrmann
    hab gerade deinen Reisebericht in einem Atemzug gelesen…und bin sehr berührt… vor einigen Jahren war ich ein paar Wochen in Griechenland und plante dann später auch genau diese Reise durch den Balkan…DANKE dass du mich mitgenommen hast…mit deiner lebendigen und liebevollen Beschreibung…
    und falls du gerade mal in der Gegend bist…ich wohne in Burghausen an der österreichischen Grenze…immer willkommen…
    Herzliche Grüsse
    von Karin

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    • Didi Wöhrmann Autor dieses Beitrags:

      Liebe Karin,
      vielen Dank für Dein schönes Feedback. 🙂
      Albanien ist tatsächlich ein Land, welches ich jedem Menschen wärmstens ans Herz legen kann, dieses einmal im Leben zu besuchen. Und von Burghausen ist es mit dem Auto – oder halt mit dem Bulli 😉 – in guten zwei Tagen erreichbar.
      Liebe Grüße aus dem hohen Norden,
      Didi 🙂

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