Kurzbesuch in Deutschland
Mittwoch, 24.08.2016
Es hilft alles nichts, der Wecker wird auf auf neun Uhr gestellt. 1.300 Kilometer bis nach Frankreich liegen noch vor mir, und da der Chefkoch und seine Frau (wir waren gemeinsam 2014 und 2016 in England) bereits Donnerstagabend in Amiens auf dem Camingplatz einchecken wollen, habe ich mir ein neues ehrgeiziges Ziel gesetzt: Morgen abend möchte ich ankommen.
Schnell duschen und das Didimobil reisefertig machen, und dann versuchen, so schnell wie möglich ohne Autobahn einmal quer durch Österreich zu kommen, so lautet die Devise heute morgen. Eigentlich geht es mir mehr um das Prinzip der gebührenpflichtigen Autobahnen, und so entscheide ich mich, einen mir bekannten und als Schnellstraße ausgebauten Weg über die ebenfalls mautpflichtige Felbertauernstraße zu nehmen. Elf Euro für die Tunneldurchfahrt statt acht Euro für die Autobahn – aber wer weiß, ob da nicht auch noch ein Zusatzkostentunnel unterwegs gelauert hätte? 😉
Entlang des Wörthersees führt die Bundesstraße anfangs immer parallel zur Autobahn und bietet bei herrlichstem Sommerwetter tolle Ausblicke auf das kühle Nass. Zu gerne würde ich einfach einen Tag hier bleiben.
Nach zweieinhalb Stunden ist Spittal an der Drau erreicht, ich habe gerade einmal 100 Kilometer geschafft. So wird das nichts mit morgen abend, befürchte ich.
Immerhin ist Lienz bereits ausgeschildert, von dort sind es meiner Erinnerung nach etwa drei Stunden bis zum Chiemsee. Ich erfreue mich an den Palmen am Straßenrand. Bin ich wirklich (schon) in Österreich?
Unterwegs Richtung Felbertauern treffe ich auf einen Artverwandten des Didimobils. Eine knappe Stunde fährt das slowenische Didimobil vor mir, mit 95km/h über gut ausgebaute, aber leere Schnellstraßen durch das landschaftlich reizvolle Drautal.
Bei Lienz verlässt das andere Didimobil die Bundesstraße, ich folge ihr weiter Richtung Matrei, wo offiziell die Felbertauernstraße beginnt. Gerade für Nordlichter wie mich wird dort sogar auf einer modernen LED-Anzeigetafel vor der fiesen Bergstraße gewarnt – die im Vergleich zu den Straßen der letzten zwei Wochen eher einer Autobahn ähnelt. 🙂
Zum Tunnel gibt es inzwischen eine neue, breite Straße, die sich zwar immer noch steil in zwei Serpentinen den Berg hinaufwindet, allerdings entfällt die vor zwei Jahren dort gewesene Ampel mit Wartezeiten von bis zu zehn Minuten. Über Mittersill und Kitzbühel geht es unaufhaltsam Richtung Deutsche Grenze, natürlich nicht, ohne kurz vorher noch einmal das Didimobil für 94 Cent pro Liter vollzutanken.
Im Radio verkündet man Wartezeiten an der österreichisch-deutschen Grenze auf der Autobahn bei Salzburg von 75 bis 90 Minuten, am kleinen Grenztunnel an der Entenlochklamm gibt es weder Kontrollen, noch irgendwelche Anzeichen darauf, dass hier in letzter Zeit welche stattgefunden hätten. Willkommen in Deutschland.
Mein Erinnerungsvermögen funktioniert noch, mit Tankstopp hat es 3:15 Stunden bis nach Deutschland gedauert, zwanzig Minuten später erreiche ich den Chiemsee und die Autobahn nach München. Auch hier würde ich jetzt nur zu gerne eine Pause einlegen, das Wetter ist mit Temperaturen im oberen 20er-Bereich optimal für einen kleinen Erholungsurlaub. Blöder Termindruck. 🙁
Um kurz vor 17 Uhr holt mich die deutsche Realität wieder ein: Rund um München geht gar nichts mehr: Berufsverkehr, Verkehrsstau. Willkommen in Deutschland. Zum Glück dauert es nicht lange, ich folge der A8 Richtung Augsburg. Knapp 250 Kilometer noch bis Stuttgart. Ich nehme mir vor, gegen 19 Uhr mit der Suche nach einem Stell- oder Campingplatz zu beginnen, gegen 20:30 Uhr wird es wohl dunkel.
Ich komme gut voran, bereits gegen 19:15 erreiche ich den Albabstieg. Gleich dahinter befindet sich der Campingplatz Aichelberg ganz in der Nähe der Autobahn. Ich habe Glück und ergattere noch eines der letzten Plätzchen. Nebenan befindet sich ein guter Italiener. Ich gönne mir eine Lasagne und ein Gläschen Rotwein für die Bettschwere.
Etwa 600 Kilometer habe ich in zehn Stunden geschafft, 715 Kilometer trennen mich noch von Amiens.
Luxemburg, Belgien, Frankreich
Donnerstag, 25.08.2016
Acht Uhr, der Wecker klingelt. Wirklich fit bin ich nicht. Ich koche mir erst einmal einen Kaffee, 715 Kilometer möchte ich versuchen, heute zu schaffen, dann wäre ich bereits heute abend am Ziel. In Amiens, zwischen Paris und Calais gelegen, wird am Wochenende der „Napoleon Cup“ ausgetragen: Unsere Eishockeyfreunde aus Nottingham werden vor Ort sein, da die Nottingham Panthers mitspielen. Und vier Freunde aus Hamburg, denen ich versprochen hatte, vorbeizuschauen.
Um Viertel vor neun bin ich auf der Autobahn, 41 Kilometer bis Stuttgart, 108 Kilometer bis Karlsruhe. Ich komme überraschend zügig voran, kein Stau um Stuttgart. Bei Pforzheim ein kleiner Unfall auf der Überholspur, der Verkehr wird auf dem Standstreifen vorbeigeleitet. Muss gerade passiert sein, ich verliere vielleicht zehn Minuten.
Hinter Karlsruhe bei Landau in der Pfalz endet die Autobahn. Die Bundesstraße B10 ist teilweise autobahnähnlich ausgebaut, es herrscht kaum Verkehr. Pirmasens, Zweibrücken. Die Sommersonne brennt, nichts los im Saarland. Nach knapp zwei Stunden Fahrt erreiche ich Einöd. Wie passend. Noch 100 Kilometer bis nach Luxemburg.
Das Didimobil scheint zu fliegen. Inzwischen bin ich wieder auf der Autobahn A8 Richtung Luxemburg, wo ich nach vier Stunden Fahrt die Grenze überquere.
Das Didimobil hat es trotz Autobahn geschafft, ohne Tankstop durch Deutschland zu fahren. 92 Cent kostet der Liter Diesel in Luxemburg, das freut die Urlaubskasse. Es gibt auch hier Magnum Double Choc. Ich glaube, ich sollte auswandern. 😉
Um 13:30 überquere ich die Grenze nach Belgien, etwa die Hälfte der Strecke ist geschafft. Über eine einsame, ziemlich trostlose Landstraße geht es zügig Richtung Bouillon; wirklich schön ist Belgien in dieser Gegend jedoch auch nicht.
Ohne Suppe zu essen durchfahre ich den namensgebenden Ort und treffe kurz darauf auf die Grenze nach Frankreich. Die autobahnähnliche Straße wird schlagartig schlechter, dafür ist sie für etliche Kilometer mautfrei.
Ohne Maut gibt es in Frankreich wohl auch keine Wegweiser, und so bin ich an einem bald folgenden Autobahnkreuz recht froh, dass es wenigstens genügend Internet für die Google Maps-Tante gibt, die den weiteren Weg ohne Mautstrecken kennt.
An einer Autobahnraststätte genehmige ich mir ein kühles Getränk und einen kleinen Snack. Der Chefkoch und seine Frau haben sich inzwischen gemeldet, sie sind auf dem Weg von Paris nach Amiens und werden voraussichtlich gegen 17:30 dort eintreffen. Vor mir liegen noch 200 Kilometer Landstraße, es ist 15:30. Ich liege erstaunlich gut in der Zeit, rechne aber nicht damit, vor 19 Uhr in Amiens zu sein.
Kurz hinter Saulces-Monclin wird die Autobahn mautpflichtig, ich biege ab auf die fast parallel führende Landstraße. Größtenteils schnurgerade führt die etwas in die Jahre gekommene, kaum befahrene Straße durch eine große Einöde, die Sonne gibt dazu ihr Bestes. Halbverlassene Dörfer mit verrammelten Häusern wechseln sich ab mit endlosen Feldern. Eigentlich fehlen nur noch die runden Dornenbüsche, die in Western ständig durchs Bild wehen.
Auf der fast leeren Landstraße kommt man erstaunlich schnell voran, alle halbe Stunde durchquert man eine kleinere Stadt, die ebenfalls meist menschenleer ist. Kein Vergleich zu den vergleichsweise quirligen und lebhaften Ortschaften auf dem Balkan. In der sengenden Hitze staut sich die Luft, es riecht vielerorts nach einer Mischung aus Gülle, Fäkalien und Urin.
Viele Leute schwärmen ja für Frankreich, mich hingegen reizte dieses Land noch nie. Bisher haben sich meine Vorurteile Ländern gegenüber selten bestätigt, doch die Trostlosigkeit, die man bereits auf dem kurzen Stück Autobahn zwischen Belgien und Calais erlebt, begleitet einen in dieser Gegend auf weit mehr als 200 Kilometern. Mir ist heiß und ich möchte zurück nach Albanien.
Der Chefkoch funkt mich an, sie sind bereits am Campingplatz eingetroffen. 40 Kilometer bis Amiens, zeigt das Verkehrsschild am Wegesrand. Der Verkehr wird langsam dichter, die Ringautobahn um Amiens ist mautfrei und so erreiche ich eine gute halbe Stunde nach den Beiden gegen 18:45 den Campingplatz. Der Chefkoch hat mir einen schattigen Platz unter einem Baum reserviert und empfängt mich mit einem eiskalten, leckeren Zitronenbier.
715 Kilometer in zehn Stunden dürfte ein Geschwindigkeitsrekord für das Didimobil sein. Von der reinen Fahrzeit her hat es die 2.300 Kilometer von Albanien bis nach Amiens in 42 Stunden geschafft – eine Durchschnittsgeschwindigkeit von immerhin 55 km/h.
Um 20 Uhr kommen noch der Sohn und seine Mutter zu Besuch und bringen unseren Nottinghamer Freund, den Engländer, mit. Wir grillen und genießen einen sehr entspannten Abend.
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