Time to say Goodbye – Faleminderit
Montag, 22.08.2016
Den Wecker habe ich auf halb neun gestellt. Ich krieche zur Dusche, es müssen gestern abend ein paar mehr Vodka gewesen sein. Meine polnischen Nachbarn sehen so aus, wie ich mich fühle. Abschiedsstimmung und Hangover, na klasse.
Gute 2.200 Kilometer liegen vor mir, am Freitag um 19 Uhr beginnt das Eishockey-Turnier im französischen Amiens. Ich verabschiede mich von den Polen und beneide sie, fängt ihr Albanien-Urlaub doch gerade erst an.
Ich steuere den Grenzübergang im Süden des Landes an. Berichten zufolge soll die Wartezeit am „Hauptübergang“ bei Hani i Hotit bis zu zwei Stunden betragen, die beschwerliche Schotterpiste in den Norden würde vermutlich zu viel Zeit kosten.
Unterwegs halte ich an einem kleinen Krämerladen an und gebe meine letzten LEK aus: Eine Palette Wasser, eine Palette Bier (Birra Tirana) und eine Palette „Ivi Pfirsich“. In den vergangenen elf Tagen habe ich umgerechnet 315,-€ ausgegeben, habe an zwei Abenden selber gekocht und zwei Mal vollgetankt. Die 45,-€ für die Fähre über den Komansee sind darin bereits enthalten.
Die Grenze bei Muriqan scheint kein wirklicher Geheimtip zu sein. 45 Minuten stehe ich in sengender Hitze, bis das Grenzgebäude endlich sichtbar ist. Überraschend viele Deutsche sind hier unterwegs, ungeduldig wird versucht, die Warteschlange zu überholen.
Das erste Mal sehe ich in diesem wundervollen Land Bettler, die recht penetrant versuchen, irgendetwas Brauchbares (vornehmlich Essen oder Restgeld) von den Autoinsassen zu erbetteln. Knapp 1.500 Kilometer bin ich nun durch das Land der Skipetaren gereist, war in den ärmsten Ecken des Landes und habe die „Slums“ der Hauptstadt gesehen. Gebettelt wurde nirgends, Geben ist den Albanern um so Vieles seeliger als Nehmen, selbst wenn sie selber weniger als nichts haben. Es ist schade, dass gerade an der Grenze, dem „Eingang“ in dieses unglaublich warmherzige und gastfreundliche Land, ein vollkommen falscher Eindruck entstehen kann.
Die drei Abfertigungsspuren an der Grenze sind hoffnungslos überlastet, ich lande in einer provisorischen vierten Spur ohne Kontrollhäuschen. Dafür sitzt der freundliche Grenzbeamte auf einem Stuhl im Freien, Klemmbrett auf dem Schoß und kontrolliert dort die Ausweise. Kurzer Blick auf den Personalausweis und die Frage, ob ich alleine reise, und mit einem freundlichen „Auf Wiedersehen“ erhalte ich mein Ausweisdokument zurück und darf passieren.
Die schmale Straße nach Bar zieht sich elend lange hin, ich hatte die allgegenwärtigen, namensgebenden Berge Montenegros schlicht und einfach verdrängt. Trotz längerer Wartezeit am „großen“ Grenzübergang wäre es dort vermutlich schneller gegangen. Ich tanke das Didimobil für immer noch 90ct pro Liter Diesel voll und zahle wieder in Euro.
Von der Küste geht es über das Gebirge in die Hauptstadt nach Podgorica, von wo die mir bereits bekannte Schnellstraße über Nikšić zur Grenze bei Mratinje führt. Dichter Regen begleitet mich die gesamte Fahrt über bis nach Bosnien-Herzegowina, gute fünf Stunden benötige ich für die 240 Kilometer quer durch Montenegro.
In Bosnien wähle ich den direkten Weg Richtung Sarajevo. Mit Glück schaffe ich es noch vor Anbruch der Dunkelheit bis zum Campingplatz in Jajce. Unbeleuchtete Fahrzeuge, fehlende Straßenmarkierungen, Tiere und Fußgänger auf der Fahrbahn und dazu Dauerregen machen nicht gerade Lust darauf, im Dunkeln zu fahren.
Über die M18 von Brod Richtung Sarajevo kommt man durch eine wunderschöne schroffe Schlucht, über die selbst im Internet nur sehr wenige Informationen verfügbar sind. Zum Glück regnet es noch immer in Strömen, sodass man eigentlich gar nicht anhalten mag. Bei schönem Wetter würde ich hier sicherlich nicht mal mit halbem Tempo vorwärts kommen.
In Sarajevo entscheide ich mich aufgrund der vorangeschrittenen Zeit für die Autobahn, was sich als „fataler Fehler“ herausstellen soll: 12,-€ für gerade einmal 50 Kilometer Autobahn werden dort abgezockt, das Didimobil aufgrund seiner Höhe als LKW eingestuft. 🙁
Noch 100 Kilometer bis Jajce, es wird inzwischen dunkel. Das kann ja heiter werden. Google Maps kennt keine Campingplätze in der Nähe, also muss ich wohl in den sauren Apfel beißen.
Kurz vor Travnik erspähe ich aus dem Augenwinkel ein Schild mit der Aufschrift Auto Kamp an einer Hofauffahrt neben einem etwas heruntergekommen wirkenden Motel. Ich drehe um und verschaffe mir einen ersten Eindruck: Hinter dem Motel befindet sich eine große Rasenfläche neben dem örtlichen Sportplatz, allerdings kein Camper weit und breit. Als ich gerade wieder vom Hof rollen will, kommt ein freundlicher Herr aus dem Haus und hält mich an. Ob ich einen Übernachtungsplatz suche, fragt er mich in perfektem Schweizerdeutsch. Welch eine Überraschung! 🙂
Er zeigt mir den Stellplatz auf dem Rasen direkt am Haus, es gibt einen Stromanschluss und einen Schlüssel für das Badezimmer: dunkelrote 70er-Jahre-Kacheln und blitzeblank und sauber, als sei es gerade erst frisch eingeweiht worden. 15,-KM kostet die Übernachtung, ergo 7,50€. Klingt super. Im Motel „Carousel“ gibt es dann noch Essen à la Carte: Schweizer Sahnegeschnetzeltes mit hausgemachten Spätzle satt. Ebenfalls 15,-KM. Ein Stückchen Schweiz mitten in Bosnien, und fast wäre ich vorbeigefahren. 15,-€ für die Übernachtung mit Essen satt, ich fühle mich pudelwohl. Welch unbeschreiblicher Luxus gegenüber dem fast doppelt so teuren, heruntergekommenen Campingplatz im Jajce. 🙂
Länderhopping im Schnelldurchlauf
Dienstag, 23.08.2016
Um acht Uhr klingelt der Wecker, ich habe nach langer Zeit wieder einmal richtig tief und fest geschlafen – bei geschlossenen Fenstern. Elf Grad sind es im Didimobil, draußen hängen die Wolken noch immer tief in den Bergen. Ich gehe duschen und mache mich fertig, bevor ich noch zum Frühstück einkehre.
Auf dem Weg dorthin werde ich zum Retter einer noch sehr jungen Katze, die offenbar auf ein kleines Regal geklettert ist, dort aber nicht wieder herunter kommt. Als Dank weicht sie mir nicht mehr von der Seite.
Es gibt ein leckeres Omelette und einen starken Kaffee. Gestärkt verlasse ich das Gebäude, da sitzt meine „Freundin“ schon wieder wehleidig auf dem Regal. Als Dank der erneuten Rettung bekomme ich eine echte Katzenwäsche. ♥
Gestern hatte ich gerade einmal knapp 400 Kilometer in elf Stunden geschafft, also noch etwa 1.800 Kilometer in drei, maximal vier Tagen. Schweren Herzens trenne ich mich von meiner Muschi (welch ein Wortspiel… 😉 ), und ich habe fast den Eindruck, sie ist genauso traurig wie ich. Zu gerne hätte ich sie mitgenommen, aber erstens muss ich noch weiter nach Frankreich und zweitens habe ich doch zu Hause gar keinen Platz für ein Tier.
Entlang der Ugar-Schlucht führt mich die Fahrt gen Norden, immer tiefer hinein in die Wolken. Es beginnt auch wieder zu regnen. Regen scheint das einzige zu sein, was Bosnien-Herzegowina kann, dabei scheint es ein landschaftlich unheimlich reizvolles Land zu sein.
Kurz hinter Kneževo passierte es dann: Eine Straßengabelung, die Straße geradeaus ist groß und breit, die Straße nach scharf links eher schmal. Google hat mangels Internet keine brauchbare Lösung. Ich möchte nach Banja Luka, mein Russisch lässt jedoch leicht zu Wünschen übrig, und so interpretiere ich den kyrillischen Wegweiser falsch. Der erste Ort heißt nicht „Banja“, klingt aber so ähnlich. Der zweite Ort heißt jedoch ziemlich sicher „Luka“, und so beschließe ich, dass „Banja Luka“ einfach ein Doppelort ist und folge der großen Straße geradeaus.
Nach wenigen Kilometern endet die Straße in einem kleinen Dorf. Die Wegweisung in die beiden unlesbaren Orte folgt einer Schotterstraße ins Nichts. Das hat mir gerade noch gefehlt, ich habe es schließlich eilig! Ich bin gerade dabei umzudrehen, da kommt mir ein älterer Mann entgegen. Ich versuche ihn in meinem besten Bosnisch (also mal so komplett ohne Wortschatz) nach dem Weg nach Banja Luka zu fragen. Erst zuckt er nur mit den Achseln, dann irgendwann zeigt er auf einen kleinen, asphaltierten Feldweg. „Dobre“, sage ich, und hoffe, dass das so etwas wie „Danke“ heißt. Er nickt freundlich und zieht weiter, ich schwanke zwischen „Zurück zur Kreuzung“ und „Feldweg“. Ich entscheide mich für den Feldweg, welcher mich immer weiter hinein in die Wolken führt.
Nach etwa einer halben Stunde erreiche ich eine Hauptstraße. Google weiß inzwischen wieder, wo wir sind, und so ist es nicht weiter tragisch, dass an dieser Kreuzung kein Wegweiser steht. Elf Kilometer vor Banja Luka kann ich mich dann aber doch noch einmal davon überzeugen, dass es sich erstens um einen einzelnen Ortsnamen handelt und zweitens zumindest mein „Luka“ gar nicht so falsch war.
Prijedor und Novi Grad sind ab Banja Luka wieder zweisprachig ausgeschildert. Über eine gut ausgebaute Schnell-/Landstraße komme ich zügig vorwärts, und selbst das Wetter kündet langsam von der nahenden Grenze zu Kroatien: Die Sonne kommt hinter den Wolken hervor.
200 Kilometer von meiner kleinen Katze entfernt erreiche ich nach gut vier Stunden Fahrt die Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien, aber natürlich nicht, ohne vorher das Didimobil noch einmal für 82ct pro Liter Diesel vollzutanken. Herzlich Willkommen zurück in der EU.
Die Kontrollen verlaufen für eine EU-Außengrenze unspektakulär, innerhalb von fünf Minuten habe ich beide Grenzposten passiert.
Quer durch das Hinterland Kroatiens führt mich die Route bei inzwischen wieder schönem Sommerwetter durch kleine Dörfer, in denen die Zeit seit Jahrzehnten stehen geblieben scheint. Keine Hektik, wenig Verkehr. Wenn bloß der Zeitdruck nicht wäre.
Nach 165 Kilometern, teilweise parallel zur sehr teuren Autobahn, erreiche ich die kleine Grenze bei Bizeljsko. Dreieinhalb Stunden hat die Fahrt über Land gedauert. Der Grenzübertritt verläuft zügig: Perso sichtbar hochhalten, dass der Beamte in seiner Hütte diesen aus der Ferne sehen kann, und schon geht der Schlagbaum hoch.
Nun bin ich also zurück in Slowenien. Google schickt mich über kleinste Landstraßen durch malerische Voralpenlandschaft. Ich darf mich nicht ablenken lassen, zu gerne würde ich es noch im Hellen bis nach Österreich schaffen.
120 Kilometer sind es bis nach Österreich, zweieinhalb Stunden benötigt das Didimobil. Es ist kurz nach 20 Uhr, die Dämmerung setzt ein. Man merkt, dass man sich inzwischen ein ganzes Stück weiter nördlich befindet. In Albanien war es um 20 Uhr bereits finsterste Nacht.
Bei Bleiburg überquere ich die dritte Grenze am heutigen Tage – und gleichzeitig die Nervigste. Ausweis, Fahrzeugpapiere, Tür auf, reinschauen. Herzlich Willkommen im zoll- und grenzkontrollfreien Schengenraum. Stasi-Österreich bekommt natürlich einen Sonderstatus.
Campingplätze scheint es in dieser Gegend Südösterreichs wenige zu geben, und wenn, dann schlagen diese gleich mit bis zu dreißig Euro pro Nacht zu buche. Ich irre ein wenig planlos durch die Gegend, es ist inzwischen dunkel. 20 Kilometer entfernt soll es einen akzeptablen Platz geben, Stausee-Camping am Völkermarkter See. Ich bekomme noch ein Plätzchen mit Strom, das Bistro hat bereits geschlossen und auch sonst ist die Infrastruktur nicht sonderlich umfangreich hier. Ich koche mir wieder mal selber etwas zu essen und lasse den Abend bei einem meiner mitgebrachten albanischen Biere ausklingen.
500 Kilometer habe ich heute in elf Stunden geschafft. Noch immer liegen 1.300 Kilometer und maximal zweieinhalb Tage bis zum Hockeyturnier vor mir. Ich stelle den Wecker auf halb neun und falle früh ins Bett.
Hallo Didi, wir haben deinen Blog gelesen und finden ihn sehr unterhaltsam, da wir selbst begeisterte balkan-reisende sind. Immer unterwegs mit dem kleinen Bruder deines Bullis, einem Golf 2. Zur Zeit sind wir in Theth und ich hoffe inständig, die noch immer nicht asphaltierte passstraße wieder hinaufzukommen LG aus albanien, daniela
Moin Daniela,
vielen Dank für Dein Feedback.
Ansich sollte es auch mit einem Golf2 kein Problem sein, aus Theth wieder hinaufzukommen. Ich war im August diesen Jahres erneut in Albanien und u.a. auch wieder in Theth, die Straße ist im Vergleich zu vor zwei Jahren sogar etwas besser geworden. Und wenn dort mit sechs bis acht Personen besetzte, zwanzig Jahre alte Fiat Panda raufkommen, dann schafft Ihr das auch. (Y)
Kleiner Tip: Versucht, nicht bei oder direkt nach einem Regenschauer zu fahren. Und falls Ihr doch irgendwo hängen bleibt, helfen die nächsten Einheimischen ganz selbstlos, da bin ich mir zu 100% sicher. 🙂
Wünsche Euch noch einen tolle Urlaub,
lieben Gruß
Didi 🙂