Bosnien-Herzegowina und die gute alte Mark
Samstag, 06.08.2016
Bereits am Vorabend zogen dichte Wolken auf, die sich in der Nacht in einem kräftigen und lang anhaltenden Gewitter entluden. Auch, wenn ich Gewitter eigentlich mag: Mit dem Didimobil unter hohem Baumbestand fühlt man sich dann doch etwas unwohl…
Gegen neun Uhr stehe ich – noch etwas schlaftrunken – auf: Draußen ist es feucht und grau, und ich habe herausgefunden, dass an meinem Tagesetappenziel in Jajce heute um 16 Uhr ein Mensch den Wasserfall hinunterspringen will. Knapp 200 Kilometer sind es zwar nur, aber man weiß ja nie, was einen auf der Strecke so alles erwartet.
Seit jeher liebe ich die kleinen Grenzübergänge, an denen man keine bis wenige überörtliche Grenzgänger erwartet und erst recht keinen Transitverkehr. Gut 20 Kilometer vom Autokamp Korana entfernt liegt bei Prnjavor ein ebensolcher Grenzübergang, der auch noch wunderbar auf dem direktesten Weg meiner heutigen Etappe liegt.
Nach einer Rechtskurve auf der spärlich befahrenen Landstraße erscheint plötzlich ein unerwartet großer, moderner Grenzübergang mit über zehn Fahrspuren mitten im Nichts, als wenn hier vor Urzeiten mal eine Autobahn geplant gewesen wäre. Gut ein Dutzend Fahrzeuge pro Richtung wollen hier am Samstagmorgen die Grenze überqueren. Überraschend zügig gehen dann die Grenzformalitäten über die Bühne. Personalausweis, Führerschein, Fahrzeugpapiere und Grüne Versicherungskarte hatte ich mir schon bereit gelegt. Der freundliche Grenzer winkt freundlich ab, der Personalausweis würde ihm genügen. Kurzer Blick durchs Fenster ins Didimobil und mit einem freundlichen „Welcome to Bosnia“ darf das Didimobil die EU verlassen. Schneller und gefühlt unkomplizierter als an den beiden Grenzen innerhalb der EU.
Bosnien und Herzegowina. Eigentlich ein Land, von dem ich absolut nichts weiss. Ehemals Jugoslawien, dann Bürgerkrieg jeder gegen jeden und der Glaube ist mal wieder einer der Hauptschuldigen. Gleich im ersten Ort thronen zwei stolze Moscheen auf einem Hügel über dem Ort. Ein für mich gänzlich neuer Anblick. Dazu grüne Hügel und etwas heruntergekommene Ziegelhäuser, wie sie auch in Deutschland stehen könnten. Und fast Hamburger Wetter. Eine anfangs merkwürdige Mischung.
In Bihać lege ich erst einmal ein Tankstop ein. Bezahlt wird in Bosnien mit der sogenannten Konvertiblen Mark (KM). Vor der Einführung des Euro hatten die Bosniaken die D-Mark als inländische Währung übernommen, seit der Euro-Einführung ist die KM weiterhin wie früher die D-Mark mit dem festen Wechselkurs 1:1,95583 an den Euro gekoppelt. 1,56 Konvertible Mark zeigt das Tankstellenschild für den Liter Diesel: 0,78€. Das lässt das Herz eines jeden Dieselfahrers höher schlagen. Einmal volltanken, bitte. Gleich drei junge Tankwarte kümmern sich liebevoll darum, den Tank des Didimobils bis zum äußersten Rand zu füllen. Bezahlen kann man mit Euro, das Wechselgeld gibt es in Mark – auf die fünfte Nachkommastelle genau mit dem Taschenrechner ausgerechnet.
Während der nächsten Stunde scheint das Wetter aufzuklaren. Die Bundesstraße M5 verläuft gut ausgebaut und wenig befahren über eine fruchtbare Hochebene und man kommt zügig voran. Nach etwa 100 Kilometern hinter Ključ wird die Straße kurviger und gewinnt rasch an Höhe. Leider sind die Berge dort auch für die Wolken ein Hindernis, sodass diese sich tief in den Bergen und Schluchten eingenistet haben und für eine ganz eigene, eher triste Stimmung sorgen.
Bei Ključ habe ich ebenfalls fast unbemerkt eine weitere Grenze überschritten: Ich befinde mich nun in der Republik Srpska, auf die vielerorts mit großen weißen Tafeln hingewiesen wird. Bosnien und Herzegowina besteht de facto aus zwei eigenständigen Staaten innerhalb eines Landes: Der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republik Srpska. Der geneigte Autofahrer bemerkt dieses am ehesten an den nun in kyrillischer Schrift verfassten Straßenschildern, welche mir auf der Rückreise noch zum Verhängnis werden sollen. 😉
Gegen 13:30 erreiche ich den kleinen Ort Jezero kurz vor dem anvisierten Campingplatz am gleichnamigen See. Ungefähr weiss ich, wo sich der vielgepriesene Campingplatz befinden soll; da er aber etwas abseits der Hauptstraße liegt und keinerlei Beschilderung vorhanden ist, fahre ich erst einmal dran vorbei. So beschließe ich, die vier Kilometer bis nach Jajce weiterzufahren und eventuell dort schon einmal den ominösen Wasserfall zu suchen. Leider nimmt der Regen inzwischen wieder zu und entwickelt sich zu einem richtigen Platzregen.
In Jajce sind viele Straßen wegen des Wasserfallsprunges abgesperrt. Große Schilder bewerben das Event, welches dieses Jahr offensichtlich in die dritte Runde geht, und Parkplätze sind komplette Mangelware. So drehe ich eine Runde mit dem Didimobil durch die kleine, sehenswerte Altstadt und mache mich auf den Weg zurück, den Campingplatz suchen.
Ich versuche eine kleine Stichstraße, die gefühlt fast senkrecht zum See hinunterführt. Sie soll sich als richtig erweisen. Der Campingplatz ist relativ leer, an der Rezeption werde ich freundlich empfangen. 21,-€ soll die Übernachtung mit Strom kosten. Holla!
Ich suche mir einen Stellplatz ohne Baum (falls das Gewitter zurückkommt) und dicht an den Sanitärräumen und des angeblich vorzüglichen Restaurants. Nun ja, die Sanitärräume stammen noch aus Zeiten der sozialistischen Massenabfertigung, sehr heruntergekommen, teilweise kaputt und eher ungepflegt. Das WiFi funktioniert ebenfalls nicht wie gewünscht.
Da es immer noch in Strömen gießt, lege ich mich ein wenig aufs Ohr und stelle mir den Wecker auf 15 Uhr, doch auch da regnet es noch ununterbrochen. Wieder nach Jajce fahren, keinen Parkplatz finden, im Regen stehen? Ich beschließe, den Sprung vom Wasserfall sausen zu lassen. Vielleicht gibt es nächstes Jahr die vierte Auflage. 😉
Dennoch lässt der Regen pünktlich zu um 16 Uhr nach. Ich ziehe mir meine Jacke über und mache mich zu Fuß auf zu den bekannten historischen Wassermühlen von Jajce, die fünf Gehminuten vom Campingplatz entfernt liegen.
Der Vorteil des schlechten Wetters ist eindeutig, dass heute keine Touristen anwesend sind. Und die, die anwesend gewesen wären, sind sicherlich beim Wasserfallsprung.
Die Wassermühlen von Jajce bestehen aus mehreren kleinen Holzmühlen, die über einen kleinen, breiten Wasserfall gebaut wurden und mit Holzstegen verbunden sind. Das Wasser treibt über ein Wasserrad unterhalb der Mühlen einen Mühlstein im Inneren der Mühlen an. Ich soll im weiteren Verlauf der Reise noch die Möglichkeit bekommen, mir eine solche Mühle von innen anzuschauen, die hiesigen sind alle versperrt.
Ich schlendere noch ein wenige den See entlang bis zu einem kleinen, aber verwaisten Touristencafé. An echten Sommertagen ist hier sicherlich der Teufel los. Heute fühlt es sich eher an wie ein typischer deutscher Herbsttag.
Zurück am Didimobil stelle ich zum ersten Mal auf dieser Tour den Heizlüfter an, schaue mir die bisherigen Fotos der Reise an und schmiede Pläne für die nächsten Tage. Am Abend – es hat inzwischen wieder begonnen zu regnen – schaue ich im Restaurant vorbei: Cevapcici für 6,-KM (=3,-€) hätten eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen sollen. Jedenfalls schmeckt es grausam und ich bin froh, dass die Einheimischen zumindest vernünftiges Bier brauen können.
Etwa 150 Meter oberhalb des Campingplatzes befindet sich eine Taverne. Zu allem Überfluss wird dort an diesem Abend eine bosnische (oder srpskische?) Hochzeit gefeiert. Und die können laut und lang sein. :O Gegen zwei Uhr morgens schlafe ich dann aber doch zu fetziger Rockmusik ein.
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